Unsere Welt ist krank. Und seit der Corona-Epidemie ist sie noch um einiges kranker als davor, was nur bedingt mit dem Virus zu tun hat. An allen Ecken und Enden nimmt der Egoismus überhand, Rücksichtnahme ist im Großen wie im Kleinen ein Auslaufmodell. Fahren Sie wieder einmal mit der U-Bahn, hören Sie nur genauer hin, wie Menschen übereinander reden, wie eigene Positionen für absolut genommen und andere lächerlich gemacht werden, und Sie wissen, was gemeint ist. Wir brauchen gar nicht von den aktuellen Kriegen zu reden, von Russlands Aggression oder der Unversöhnlichkeit im Nahen Osten – die Intoleranz gegenüber Nachbarn ist allgegenwärtig. Die Welt dreht sich um mich, also kann ich machen, was mir passt, was kümmern mich schon die anderen?
Allerorts scheinen Dämme zu brechen, und wir werden überflutet vom Dreck, der bei jeder Überschwemmung dabei ist. Aus einer durchaus lohnenden Frage über die Integrität einer Politikerin wird eine Schlammschlacht, bei der Pikanterien und Intimitäten ohne Rücksicht auf Verluste und nur aus Eigennutz zitiert werden. Die Verschiebung von Grenzen, die im Bereich der sozialen Medien (was für ein schrecklicher Begriff mittlerweile!) längst erfolgt ist, wird auch in der Realität nachvollzogen. Es ist unerträglich, wie heute viele Debatten ablaufen, ohne jeden Versuch, einen Konsens zu finden, mit schrecklicher Ignoranz und folgenschwerer Aggression.
Fast alle haben ihren Anteil an dieser (Fehl-)Entwicklung, die Politik, die Wirtschaft, auch die Medien bei der Jagd nach Macht, Kapital oder Sensationen. Manche biegen rechts ab, manche links, dabei taugt dieses Klischee-Modell längst nicht mehr in einer derart komplexen Gesellschaft. Nein, es war früher nicht alles besser, aber es darf nicht dazu kommen, dass es so schlecht wird, wie es schon war.
Die Welt ist krank, und sie braucht dringend eine Salbe. Wie diese aussehen müsste, allein über dieser Frage könnten weitere Risse entstehen. Aber eines steht fest: Verbale Abrüstung kann nicht falsch sein, auch nicht vorurteilsfreies Zuhören. Und Gemeinwohl ist vielleicht sogar die Basis für das jedes Einzelnen. Fromme Wünsche, zugegeben. Aber eine Politik in „war rooms“ und aggressive Echokammern bringen uns nicht weiter.
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