Land der Eigentore

Land der Eigentore
Das Missgeschick eines Verteidigers beim EM-Spiel gegen Frankreich war ein Riesenpech. Aber passt es nicht gut zu diesem Land?
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Der Pessimist sagt: Eh klar, erst diese Euphorie, dann diese Niederlage.

Der Optimist sagt: Dieses 0:1 motiviert die Mannschaft erst richtig, sodass sie bei dieser Europameisterschaft garantiert das Finale erreicht.

Der Realist sagt: Verloren, immerhin gegen einen Turnierfavoriten, nicht schlecht gespielt, obwohl die Franzosen weiteren Toren näher waren als Österreich dem Ausgleich, insgesamt aber nix passiert, das entscheidende Spiel ist jenes gegen Polen, das wusste man auch vorher.

Und doch ist eine Niederlage durch ein Eigentor besonders schmerzhaft. Ein Eigentor, bei dem es fies wäre, es nur dem Schützen anzulasten. War enormes Pech, kann passieren in der Hektik, man steht ja keinen Badkickern gegenüber. Dennoch ließe sich trefflich darüber diskutieren, ob Österreich nicht grundsätzlich ein Land des Eigentores sei, der Selbstbeschädigung, des sich im Wege Stehens beim Streben nach großen Zielen, sei es aus persönlichem Verschulden, sei es, weil andere missgünstig gegen einen arbeiten. Hauptsache, der Nachbar oder Kollege hat weniger Erfolg als man selbst (womit wir endgültig nicht mehr beim ÖFB-Team sind).

Eigentore gibt es in allen Bereichen, im Zusammenhang mit der EM bereits bei den Übertragungsrechten – dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Spiele der Österreicher nicht zeigt, schadet diesem bestimmt mehr als der verunglückte Kopfball von Max Wöber der Mannschaft.

Im politischen Bereich gibt es geradezu legendäre Eigentore. Etwa die Angeberei des damaligen blauen Parteichefs vor einer unpedikürten vermeintlichen Oligarchennichte, verbunden mit roter Karte nach der filmischen Ausstrahlung dieser Peinlichkeit. Für den damaligen türkisen Kanzler wiederum war es in Folge ein klassisches Eigentor, den blauen Innenminister aus dem Spiel zu nehmen, was die Regierung sprengte – später wurde er per Misstrauensantrag selbst aus dem Amt gesprengt.

In der aktuellen Regierung wieder ist der Streit um die Renaturierung der seltene Fall eines kollektiven Eigentores – das Bild, das Österreich damit in Europa abgibt, ist wesentlich schlechter als jenes beim 0:1 gegen La France.

Bei Eigentoren im wirtschaftlichen Bereich denkt man an die Benko’sche Hybris, Erfolge im Immobilienbereich auf andere Branchen ausdehnen zu wollen – Makler, bleib’ bei deinem Leisten. An den OMV-Fetisch russisches Gas, der zum fatalen Eigentor wurde. Oder an die vielen Hilfszahlungen der Regierung, die budgetär und inflationär schädlicher waren als jeder Kopfball ins falsche Tor.

Während sich Verursacher schlimmer Eigentore abseits des Sports meist in Streitigkeit flüchten, ist es gut möglich, dass sich die Fußballer selbst aus der Eigentor-Falle ziehen. Die sehen sich nämlich als Team, ganz unösterreichisch.

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