Das ist gewiss ein genereller Trend, aber er lässt sich eben auch in Österreich beobachten und insbesondere an den Parteichefs von FPÖ und SPÖ festmachen. Herbert Kickl ist vielleicht inhaltlich nicht rechter als Haider oder Strache, aber deutlich aggressiver und destruktiver; und Andreas Babler ist mit Sicherheit der am weitesten links stehende SPÖ-Chef seit sehr langer Zeit.
Während indes die Stärkung des rechten Rands auch quantitativ in den Umfragen ihren Niederschlag findet, hält sich der Zulauf zur SPÖ einstweilen noch in Grenzen.
Ob diese Erzählung der ÖVP bei den Wählern auch verfängt, ist freilich fraglich. Eine gestern präsentierte Gallup-Onlinestudie (s. S. 11) nährt die Zweifel weiter. Demnach sehen nur 17 Prozent die ÖVP als Vertreterin der Interessen des Mittelstands (2020 waren es 31 Prozent). Die SPÖ kommt immerhin auf 19 Prozent (gleichgeblieben), die FPÖ hat von 9 auf 17 Prozent zugelegt. Fairerweise muss man ergänzen, dass 20 Prozent keine der Parteien als Anwältin der Mitte wahrnehmen, weitere 14 Prozent sagen, sie wüssten nicht, welche Partei für den Mittelstand eintrete.
Jetzt kann man natürlich lange philosophieren, was denn diese ominöse Mitte überhaupt ist. Die schlechtestmögliche Interpretation wäre das, was man umgangssprachlich mit „nicht Fisch, nicht Fleisch“ umschreibt: also unentschieden, verwaschen, konturlos.
Am anderen Ende des Spektrums stünde ein offensives Verständnis im Sinne einer radikalen Mitte: „kein bequemer Ort, kein Ort eines billigen Ausgleichs, sondern ein Ort einer immer neu versuchten und oft nicht gelingenden Synthese“, so hat das einmal Bischof Egon Kapellari beschrieben – freilich im kirchlich-religiösen Zusammenhang, der nur sehr bedingt mit der politischen Sphäre vergleichbar ist. Aber auch im Politischen müsste es jedenfalls darum gehen, ein Verständnis von Mitte zu präsentieren, welches die negativen Konnotationen ausschließt. Es allen recht zu machen, kann und wird nie gelingen.
Das ist zugegebenermaßen keine leichte Aufgabe – was man etwa merkt, wenn Karl Nehammer in einem Werbevideo meint, er sei „für die breite Mitte da, die gemäßigt für ihre Grundsätze eintritt“. Denn die potenziellen Wähler einer Partei wollen, dass diese nicht „gemäßigt“, sondern entschlossen und mit Verve für ihre jeweiligen Grundsätze eintritt. Der Grat beim Werben um diese „breite Mitte“ ist schmäler als es denen, die ihn beschreiten wollen, lieb sein kann.
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