Zum Tod von Claus Peymann: Ran an den Feind!

Claus Peymann died aged 88
Claus Peymann war der theatralischste aller Intendanten. Hat das Theater seither an politischer Kraft verloren? Nicht zwingend, aber einiges an Relevanz.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Jeder Theaterfreund eines gewissen Alters hat seine Erinnerungen an Claus Peymann. Zum Beispiel an seine erste Premiere in Wien, den „Theatermacher“ von Thomas Bernhard, der mit den Worten beginnt: „Was, hier? In dieser muffigen Atmosphäre?“ 

Da kommt jemand aus Bochum in die selbst ernannte Welthauptstadt der Kultur und schleudert den Wienern entgegen, was er vom Nationalheiligtum Burgtheater hält – eine mächtige Ansage.

Natürlich an die Uraufführung des „Heldenplatz“, die perfekt in jene Zeit passte, in der die Mehrheit der Österreicher immer noch versuchte, die Täterrolle in der Nazi-Zeit unter den staubigen Teppich zu kehren.

An Legendäres wie etwa „Richard III.“ mit Gert Voss. Zauberhaftes von George Tabori. An 50-Schilling-Karten für Studenten auf Top-Plätzen, womit das Publikum durchmischt wurde wie nie zuvor. Und dazwischen auch an fade Abende, denn freilich war nicht alles so gut wie retrospektiv betrachtet (aber immer noch besser als anderswo).

Dem Autor dieser Zeilen fiel, als er vom Tod Claus Peymanns hörte, zu allererst jedoch ein Satz ein, den ihm dieser in einem Interview gesagt hatte. Vor vielen Jahren trat er mit Hermann Beil in Klagenfurt auf, um wieder einmal eine Hose zu kaufen. Allerdings gab es zu jener Zeit Boykottaufrufe von Künstlern gegen Kärnten, weil Jörg Haider sein Anti-Programm fuhr (Anti-Kultur, Anti-Ausländer, Anti ...). Warum er, Peymann, dennoch dort spiele, wurde er gefragt. „Warum nicht? Ran an den Feind!“, lautete seine Antwort.

Abschied von Claus Peymann

Wenig charakterisiert den großen Theatermacher besser als dieser Satz. „Ran an den Feind!“ – die Freude an der Auseinandersetzung, die Lust am Konflikt, an der gelebten Konfrontation waren ihm gegeben wie wenigen anderen, mit poetisch-künstlerischen, aber auch rhetorischen und knallhart politischen Mitteln. Konfrontation mit ideologischen Gegnern, aber auch Konfrontation mit den eigenen Künstlern und mit dem Publikum, wenn es für ihn sein musste. Gérard Mortier, der ehemalige Salzburg-Intendant, ebenfalls verstorben, agierte noch ähnlich (und doch ganz anders, nämlich sensibler, künstlerisch innovativer), aber das war es dann.

Ist der Abschied von Peymann auch einer vom Theater als hochpolitischem, revolutionärem, aufrüttelndem Ort, als Antithese zur Biedermeierlichkeit? Nicht zwingend, aber die Zeiten haben sich massiv geändert. Heute ist das Freund-Feind-Schema nicht mehr so klar definiert, eine künstlerische Erregung verpufft ganz rasch. Differenzierung, für die Peymann definitiv nicht stand, wäre gefragt anstelle des Schwarz-Weiß-Denkens.

Akut bedroht ist die generelle gesellschaftliche Relevanz von Theatern. Unter Peymann haben noch so gut wie alle darüber gestritten. Auch jene, die nie dort waren.

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