16 Jahre sind eine "exorbitant lange Zeit", befand der Fünfersenat des Obersten Gerichtshofes und sah darin einen Verstoß gegen Artikel 6 der Menschenrechtskonvention – das "Recht auf ein faires Verfahren". "Fair" war auch nicht, was sich am Rande des Strafverfahrens in der Öffentlichkeit abgespielt hat. Die Senatspräsidentin fasste es unter "Spott und Häme" zusammen, aber wir erinnern uns: Kabarettisten haben im Audimax Telefonprotokolle verlesen, es gab ein Schmählied und sogar ein Brettspiel, Abertausende Male wurde auf Youtube abgespielt, wie der Ex-Finanzminister einst im Fernsehen einen Brief vorlas, wonach eine Dame befand, er sei einfach "zu jung, zu intelligent, zu schön" gewesen. Was haben wir gelacht. Die "Privatmeinung" der Senatspräsidentin dazu: "Unerträglich".
Unerträglich ist freilich auch die Tat an sich – daran ließ die Vorsitzende des Fünfersenats bei aller Empathie keinen Zweifel. Grasser war Finanzminister. Seine Aufgabe war es, auf das Geld der Steuerzahler aufzupassen. Und das hat er nicht getan. Er hat entschieden, dass 60.000 Wohnungen aus Staatseigentum für im Schnitt 16.000 Euro pro Wohnung in die Privatwirtschaft wandern, woraufhin er selbst und seine Freunde Millionen an Provision kassiert haben.
Dass der Ex-Finanzminister für diese "schwere Straftat" jetzt nur vier statt acht Jahre Haft ausfasst – das Höchstgericht also das erstinstanzliche Urteil halbiert – sollte der Justiz und allen, die in diesem Land Justizpolitik gestalten, zu denken geben. Wenn 16 Jahre lang Ressourcen in ein Verfahren gepfeffert werden und Grasser am Ende wohl ein Jahr tatsächlich "sitzen" muss (den Rest wird er mit Fußfessel und bedingter Entlassung hinter sich bringen können), dann läuft etwas gewaltig schief.
Die frühere grüne Justizministerin Alma Zadić hat kurz nach Amtsantritt 2020 eine "Evaluierung von Großverfahren" angekündigt, das Ergebnis aber nie veröffentlicht. Die neue Regierung hat sich wieder allerlei Evaluierungen vorgenommen, nach dem Grasser-Urteil und dem Verfahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, das nun ansteht, kommt Türkis-Rot-Pink aber endgültig nicht mehr aus. Die Steuerzahler verdienen endlich eine fundierte (!) Antwort auf die Frage: Arbeiten die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte effizient? Sonst macht sich die Regierung mitverantwortlich, wenn dem Steuerzahler in Zukunft wieder Millionen, wenn nicht Milliarden, durch die Finger rinnen.
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