Reden wir heute einmal nicht über das verbrecherische russische Regime, über Nahost-Krieg, Teuerung und Klimawandel. Sondern darüber, dass ein österreichisches Kulturgut gefährdet ist. Nämlich dieses unvergleichlich schöne, feine, altwienerische Deutsch. Jüdische Emigranten sprachen und sprechen es selbst noch Jahrzehnte nach ihrer Flucht, eine Ausdrucksweise quasi konserviert in der Fremde. Der wunderbare, alterslose Schauspieler Michael Heltau, Joseph Lorenz in der Josefstadt, die Doyenne Erika Pluhar und Weltstar Klaus Maria Brandauer beherrschen diesen Ton.
Doch an der Burg haben viele deutsche Theaterdirektoren das „Burgtheaterdeutsch“ verschwinden lassen. Auch wenn man die großartige Maria Happel oder Joachim Meyerhoff, der hoffentlich aus Berlin wieder nach Wien zurückkehren wird, nicht mehr missen will, passt zu Schnitzler und Nestroy das Bundesdeutsche einfach nicht – das jetzt im Schauspielberuf aber eine Art von Grundvoraussetzung geworden ist.
Ja, natürlich unterliegt Sprache immer Veränderung und Moden, speziell in einer so stark multikulturellen und multimedialen Gesellschaft wie der jetzigen. War es die „Generation RTL“, die mit dem schnoddrigen deutschen Sender (nicht nur) sprachlich sozialisiert wurde, ist es nun die „Generation Tiktok“ (und Insta), die auf ihren Kanälen „germanisiert“ wird. Und wer nicht ausreichend Denglisch versteht, ist sowieso mindestens ein „Boomer“.
Aber wo „lernt“ man noch österreichisches Hochdeutsch? In vielen Schulen ist man schon überfordert, einfache Grundfertigkeiten zu vermitteln. Vielleicht lässt sich manches spielerisch einbauen. Wie wär’s in der Bundeshauptstadt mit einem „Wienerisch für Anfänger“ (die Sprachfärbungen der Bundesländer schwinden ja nicht ganz so rasant), damit wenigstens der urwienerische Dialekt nicht ganz verloren geht? Dafür immerhin gibt es mittlerweile popkulturelle Vorbilder: Ernst Molden und Voodoo Jürgens etwa, sowie Nino aus Wien oder Birgit Denk. Heinz Zednik, Opernsänger mit Liebe zum Wienerischen, sagte einmal gegenüber der Wiener Zeitung: „Das ist doch wie Artenschutz, wenn man das Wienerlied pflegt. Es ist genauso vom Aussterben bedroht wie der echte Heurige. Wenn ich in Grinzing Tiramisu und Sushi angeboten bekomme, ist das zum Kotzen!“ Recht hat er.
Wobei es eine Gratwanderung ist: Bewahren gilt ja oft als furchtbar spießig. Wenigstens auf Wiener Bühnen sollte man das „Wienerische“ kultivieren – aber nicht in einer erzieherischen, sondern in unterhaltender und bitte keinesfalls in „Regietheater“-Mission. Die Neuinszenierung von Thomas Bernhards „Heldenplatz“ spielt übrigens diesmal in der New Yorker U-Bahn. Irgendwer wird uns das schon erklären – leider nicht im Burgtheaterdeutsch.
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