Bisher galt Österreich zum Beispiel als produktiver Standort mit gut ausgebildeten Fachkräften. Doch die Schulen wurden u. a. mit Integrationsaufgaben überfordert, Ausbildungsziele blieben auf der Strecke. In vielen Fällen erzeugt man damit eine, sich über Generationen verfestigende AMS-Abhängigkeit. Praktisch alle Unternehmen sind (notgedrungen) bereit, die versäumten Aufgaben von Elternhaus und Bildungssystem zu übernehmen. Mitarbeiter werden händeringend gesucht und geschult. Wir sollten uns daher nicht nur über Erschöpfung (die es tatsächlich gibt), Homeoffice und Teilzeitarbeit unterhalten, sondern auch über Leistungsbereitschaft. Und darüber, dass das international gefeierte Modell der Lehre auch hierzulande wieder Anerkennung finden muss. Schließlich fehlen allein für die Energiewende Tausende Elektriker und Installateure. Apropos Energiewende: Um von fossiler Energie unabhängig zu werden, braucht es schnellere Verfahren für Netzausbau, Speicher, Wind- und Sonnenenergie. Wer behauptet, das sei in ein paar Jahren ohne Anstrengung zu erreichen, lügt. Österreich muss Vorreiter in Green Technology werden. Das Potenzial ist da, wird aber durch Technikfeindlichkeit gebremst. Noch ist unser Land Vorbild bei umweltschonender Produktion. Doch China ist längst auf der Überholspur. Von Waren aus dem Reich der Mitte abhängig zu sein, ist aber mindestens so gefährlich wie von Russland.
Einen "Turnaround" Österreichs werden wir nur mit den besten Köpfen in der Politik erreichen. Kardinal Schönborn warnt zu Recht: „Der Schutz der Menschenwürde in der Politik ist eine Frage der Rechtskultur eines Landes. Die Rechte eines Menschen werden durch die ständige Durchlöcherung der Unschuldsvermutung ausgehöhlt – und das ist gefährlich für die Gesellschaft.“
Nicht zuletzt braucht eine reife Demokratie Medienvielfalt. Dem reichlich gebührenfinanzierten ORF soll jetzt erlaubt werden, seine Gratis-Online-Aktivitäten zu erweitern. Das gefährdet die Existenz privater Medien, die mit ihren Digitalaktivitäten Geld verdienen (müssen). Darauf verweist der Verein der Chefredakteurinnen und Chefredakteure, dem auch der KURIER angehört.
Ja, die Lage der Welt ist ernst. Aber das darf den Blick auf verbesserungswürdige Strukturen im eigenen Land nicht vernebeln, sonst wird die Krise zum Dauerzustand.
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