Kurz, die Dritte

Ein Gastkommentar von Thomas Köhler

Sebastian Kurz ist effektiver Taktiker und effizienter Stratege zugleich: Die Farbe, mit der er die „neue“ Volkspartei von der „alten“ absetzte, war nicht nur Nomen, sondern auch Omen. Tatsächlich bedeutete Türkis einen Bruch mit der Tradition von Schwarz: weniger für das Programm als den Apparat, der in insgesamt drei Koalitionsperioden seit 1945 gewohnt war, einen Vergleich mit der SPÖ zu schließen, ehe die ÖVP überhaupt eine These errichtet hatte. So schrumpfte die Große Koalition schließlich zur kleinen an der Jahrhundertwende. 2015 vereinigten beide Parteien in Umfragen weniger als 50 Prozent. Ein Jahr später errangen ihre Präsidentschaftskandidaten gemeinsam 20 Prozent. Das Epizentrum des erruptiven Umbruchs markierte schließlich die Wahl des Grünen Alexander van der Bellen. Das war de facto das Ende der Zweiten Republik, die ihrerseits de jure auf der Verfassung der Ersten Republik gründete. Neue, echte Konflikt- folgte nun auf alte, falsche Konsensdemokratie.

Türkis ist an sich eine Mischung aus Blau und Grün. Politisch setzte die ÖVP so – in sich hinein und aus sich heraus – ein Signal der Mitte zugleich nach rechts und links. Die erste Wahl von Türkis fiel auf Blau, die zweite auf Grün. Dazwischen lag der Abgrund von „Ibiza“ samt Absturz. Wie der erste Versuch von Türkis nach „rechts“ auf zwei Perioden angelegt war, wird es der zweite nach „links“ sein. Umso mehr, wenn er wohl nicht nur auf den Bund, sondern auch auf Wien fokussiert: 100 Jahre Rotes Wien waren und sind Türkis ein Stachel im Fleisch. Mit Gernot Blümel hat Sebastian Kurz seinen Anspruch auf die Hauptstadt deutlich gemacht. Der Angriff der ÖVP auf die SPÖ, die inzwischen – ähnlich wie die SPD und anders als die CDU – keine strukturelle „Volkspartei“ mehr ist, wird frontal sein und nicht wie bisher über die Flügel erfolgen. Gegen Blau und Grün ist Kurz‘ ÖVP nun immun: die einen hat man von, die anderen an der Hand.

Die wirklichen Masterminds

Auf die Grünen wird durch die neue Koalition im Bund indessen eine alte Gefahr zulaufen: das abermalige Erstarken einer linkspopulistischen Bewegung à la Pilz. Detto dräut der FPÖ das Gespenst einer (noch) rechtspopulistische(re)n Bewegung à la Strache. Deswegen formieren sich die Gegner von Kurz & Co. im Surrealen vehement: Bei der teils links-, teils rechtsextreme Reaktion (sic) in den Neuen Medien handelt es sich freilich weniger um Schaum als um Abschaum von außen. Kaum Kritik hat Kurz hingegen von innen zu erwarten: Im Bundes-Abglanz sonnen sich die ÖVP-Landesfürsten, ja rühmen sich sogar, die Pioniere einer Koalition aus Christ- und Ökodemokraten zu sein. Doch die wirklichen Masterminds sitzen dies- und jenseits des Ballhausplatzes und haben festen Willens nachhaltig begründet, was einst zu Recht oder zu Unrecht „Dritte Republik“ genannt werden wird. „Die Verantwortung ist die Mühe der Freiheit“, sprach Angela Merkel! Ob gerade sie Kurz‘ Vorbild ist?

Thomas Köhler ist Co-Herausgeber des biennal erscheinenden Jahrbuchs für politische Beratung (Edition mezzogiorno).

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