Krankes Wien

Unglaubliche Nachrichten aus dem Beamtenparadies.
Martina Salomon

Martina Salomon

"Herr Rat, i müassert ma vor dem Urlaub no a paar ausstehende Krankenstandstage nehmen. Hamma uns mit de Kollegas aber eh längst ausgmacht": So stellen sich Zyniker die Gespräche in der Amtsstube vor. Übertrieben? Vielleicht nicht. 27,6 Krankenstandstage pro Jahr hat jeder der noch nach altem Recht beamteten Beschäftigten (Gott sei Dank ein Auslaufmodell) in den Wiener Stadtwerken im Schnitt (!). Die Arbeit in der Bestattung oder das Lenken einer "Bim" muss viel kräfteraubender sein, als ein Job in der wettbewerbsorientierten Privatwirtschaft.

Aha, deshalb werden den Beamten auch mehr Kuren genehmigt, als dem gewöhnlichen ASVG-Sklaven! Glücklicherweise hat man mit der "Krankenfürsorgeanstalt" für die Bediensteten der Stadt Wien außerdem eine Krankenversicherung, die das Beste aus beiden Welten vereint (privilegierte kleine Kasse, aber ohne Selbstbehalt für Arztbesuche). Und Wien hat Gott sei Dank auch endlos lange Übergangszeiten für die böse, böse Beamtenpensionsreform aus der Schüssel-Ära. Kein Wunder, dass man nirgendwo in Österreich so früh in Pension geht. Theoretisch könnten diese Frühpensionisten dann (etwa als Kurzparkzonen-Kassierer) noch richtig fleißig werden. Schließlich haben Beamte keine Ruhensbestimmungen.

Gibt es eigentlich Konsequenzen für das Managementversagen, das für eine so ungesunde Arbeitsatmosphäre verantwortlich ist? Wieso duldet die allmächtige Gewerkschaft der Gemeindebediensteten derart krankmachende Zustände? Sind nicht auch die Mediziner schuld, die speziell Beamte so oft krankschreiben? Wo ist der Aufstand der Steuer- und Gebührenzahler, die sich das alles gefallen lassen? Und eine ketzerische Frage zum Schluss: Könnte die viel zitierte "Daseinsvorsorge" nicht privatisiert besser und billiger funktionieren? Um Himmels Willen, welch liberale Vorstellung! Natürlich kein Thema im Beamten- und Krankenstandsparadies Wien.

Kommentare