Volksbeteiligung statt Volkszorn

Aus den Wutbürgern, die den Gutbürgern nachlaufen, könnten Mutbürger werden.
Martina Salomon

Martina Salomon

Aus den Wutbürgern, die den Gutbürgern nachlaufen, könnten Mutbürger werden.

von Dr. Martina Salomon

über Volksbeteiligung

Grundsätzlich ist es kein schlechtes Zeichen, auch wenn die Motivation derzeit oft kalter Zorn ist: Die Bürger (und -innen) haben ein neu erwachtes Interesse an Politik. Sie wollen mitreden, selbst wenn sich ihr Engagement manchmal nur darin erschöpft, den "Gefällt mir"-Button anzuklicken.

Die neuen Helden des "Wutbürgers" sind quasi "Gutbürger" wie der Waldviertler Schuhmacher Heini Staudinger und der Kabarettist Roland Düringer. Die sind zwar "Rebellen" wider das Establishment, aber in Wahrheit vor allem PR-Genies in eigener Sache und damit auch nicht hundertprozentig vertrauenswürdig.

Vorbild Schweiz

Die beiden geben den Enttäuschten jedoch eine Stimme. Wenn es die Politik schafft, diese heftige Widerrede ernst zu nehmen und in einen seriösen Dialog einzutreten, dann ist viel erreicht. Schafft sie es nicht, dann ist die Parteiendemokratie ernsthaft in Gefahr.

Optimistisch betrachtet, nähern wir uns vielleicht langsam Schweizer Verhältnissen an. Dort entscheidet der Stimmbürger wirklich mit, meist auch vernünftig: Er hat sogar gegen eine Urlaubsverlängerung gestimmt. Wobei auch die Schweizer Bürger zuletzt das politische Establishment – von Gewerkschaften, Parteien bis zu den Kirchen – schockten, indem sie für einen Zuwanderungsstopp stimmten, der für den Wirtschafts- und Bildungsstandort verheerend ist. Abgesehen davon, dass ein Votum hierzulande noch viel eindeutiger ausgehen würde, schadet es der Politik aber gar nicht, sich über die wahren Ursachen Gedanken zu machen und offener mit diesem heiklen Thema umzugehen.

Prinzipiell sind die Bürger ja nicht nur wütend, sondern durchaus interessiert. Sie wollen ihre Lebenswirklichkeit mitgestalten – zugegeben, ein für Volksvertreter durchaus mühevoller Prozess. Bürger-Reaktionen sind ja nicht immer nur sachlich und sympathisch. Wenn man das Volk aber, was auch im kommunalen Bereich oft geschieht, "überfährt" oder für "blöd verkauft", dann muss sich niemand über den Zorn wundern.

Neos als Signal

Und es gibt ja Gott sei Dank nicht nur Bassena-Geschrei, sondern auch den Willen, konstruktiv mitzumischen, das zeigen u. a. die "KURIER-Gespräche": Hunderte Leser füllten vergangene Woche einen Saal, um mit dem Außenminister und dem OMV-Chef völlig unpopulistisch über Wirtschaft und Politik zu diskutieren.

Der Journalist und Kommunikationsberater Peter Menasse hat in einem KURIER-Gastkommentar kürzlich der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass jetzt die "Mutbürger" kommen. Der Erfolg der Neos (deren Parteiziele er gar nicht teilt) ist aus seiner Sicht ein Zeichen dafür, dass Bürger nicht nur schimpfen, sondern sich für Veränderung engagieren. Und wer sagt denn, dass die in Österreich herrschende Großbürokratie so viel klüger ist als die "Schwarmintelligenz" der Menschen?

Fazit: Die Politik muss mehr Möglichkeiten zur Beteiligung schaffen oder zumindest ihre Entscheidungen besser erklären (plus Fehler zugeben). Aber auch die Bürger müssen mehr wollen, als nur am Stammtisch zu maulen und im Internet gefahrlos den Daumen zu senken.

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