Salomonisch: Zwangsmitgliedschaft – normal oder aberwitzig?

Martina Salomon
Eine klare Mehrheit der veröffentlichten Meinung empfand den verpflichtenden Kirchenbeitrag als skurrile Idee.
Martina Salomon

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Hätte der ORF -Chef nicht unfreiwillig die nachweihnachtliche Informationsflaute mit seiner Büroleiter-Schmierenkomödie gefüllt, dann wäre über ein anderes, zur Saison weitaus passenderes Thema wohl intensiver diskutiert worden: Sollen alle, auch die aus der Kirche ausgetretenen Taufscheinchristen, einen Kirchenbeitrag – quasi als Kultur- und Denkmalbeitrag – zahlen müssen? Eine klare Mehrheit der veröffentlichten Meinung empfand das als skurrile Idee eines oberösterreichischen Provinzpolitikers.

Befände man sich nicht in Österreich, könnte man sich diesem Urteil eventuell anschließen. Doch hierzulande sind Zwangsmit-gliedschaften in allen gesellschaftlichen Bereichen absolut akzeptiert. Kaum jemand stellt zum Beispiel die verpflichtende Mitgliedschaft bei der Arbeiterkammer infrage. Fein für die Kammer, die dank Beschäftigtenhöchststand in Geld schwimmt. Austritt ist nicht vorgesehen. 0,5 Prozent des Bruttogehalts (bis zur Höchstbemessungsgrundlage) kostet das jeden Zwangsbeglückten.

Dieses Schicksal (aber einen anderen Berechnungsmodus) teilen auch Selbstständige. Seit vier Jahren ist die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern sogar verfassungsrechtlich untermauert.

Das Schema wiederholt sich überall: Sind Sie Bauer, vielleicht lediglich im Zweitberuf? Egal, Sie können sich Ihrer Pflichtmitgliedschaft bei der Landwirtschaftskammer nicht entledigen.

Ärzte, Architekten, Anwälte, sogar Hebammen müssen sich pflichtvertreten lassen. Detto Studierende: Nein, es gibt kein Entkommen vor der rosa-lila HochschülerInnenschaft! Und selbst wenn jemand kaum noch fernsieht, schon gar nicht ORF, zahlt er Rundfunkgebühr, zwangsweise.

Die Kirche erhält ihre historisch bedeutsamen Gebäude so wie die Bauern die Landschaft. Sie ist als kulturelle Einrichtung deutlich älter als die Sozialpartnerschaft und ungefähr so monogeschlechtlich wie die ÖH, nur halt andersrum.

Warum also sollte ein Pflichtbeitrag für das eine aberwitzig, für das andere aber ganz normal sein?

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