Salomonisch: Was die Kirche könnte – und was nicht
Wissen Sie, ab wann Ihre Lage wirklich verzweifelt ist? Wenn Sie mit der ÖVP oder der katholischen Kirche verglichen werden. Die einen verordnen sich gerade einen Verhaltenskodex. Die anderen haben es im Prinzip leichter, weil sie sich auf die zehn Gebote berufen können und Führungs- sowie Richtungsdebatten ohnehin sinnlos sind.
Der Heilige Vater hat am Gründonnerstag der Pfarrerinitiative gezeigt, wo Gott wohnt und deren Anliegen eine Absage erteilt. Erstaunlich daran ist nur, dass es das Oberhaupt der katholischen Weltkirche überhaupt für notwendig erachtet, auf die putzigen österreichischen Rebellen einzugehen. (So gesehen verwundert es auch nicht, dass sich Helmut Schüller "angenehm überrascht" zeigte.) Oder hat irgendjemand geglaubt, dass der Vatikan eine "Grassroot-Bewegung" ernst nimmt?
Wer einer 2000 Jahre alten Glaubensgemeinschaft beitritt, die per definitionem göttliche Wahrheiten verbreitet, an die jungfräuliche Geburt und die Auferstehung von den Toten glaubt, kann nicht erwarten, mit liberalen Ideen Gehör zu finden.
Den Autoritätsverlust der Kirche hat das Ganze eher gefördert als gebremst. Die Ursachen dafür liegen im scharfen Kontrast zwischen einer immer säkularisierteren Gesellschaft und einem immer konservativer agierenden und sich abschottenden Kirchen-Establishment.
Dabei hätte die Kirche wichtige Aufgaben im Diesseits. Kardinal Schönborn hat es in der ORF-Pressestunde angesprochen: Wo ist eine Perspektive jenseits des "Imperativs des Wachstums"? Wer hat beständigere Werte zu bieten? Diese Sehnsucht lässt sich ja nicht nur mit Yoga, Bauchtanz und Ayurveda-Kuren stillen. Der esoterische Wellnessmarkt boomt, während Kirchenhäuser mangels Gebrauchs verschenkt werden.
Vertreter der katholischen Kirche in Österreich könnten weitaus lebensnäher und mutiger auftreten, ohne sich an den Mainstream anzubiedern. Die Pfarrerinitiative hat immerhin erreicht, dass Rom ablehnend reagiert. Das ist mehr, als sie erwarten durfte.
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