Volk der Düsternis: Österreicher sehen schwarz
In Schwarzmalerei sind die Österreicher Weltmeister
In Schwarzmalerei sind die Österreicher Weltmeister. Das wurde diese Woche durch eine Online-Umfrage (Nielsen Holdings) wieder einmal bestätigt. Demnach sind wir sogar pessimistischer als die krisengeschüttelten Spanier und Griechen. Und nur 44 Prozent der Befragten sagen, dass sie 2012 angenehm gelebt haben.
Entschuldigung, aber haben wir noch alle Tassen im Schrank? Österreich zählt zu den schönsten, sichersten, umweltfreundlichsten und reichsten Ländern der Erde und ist gleichzeitig so gerecht wie kaum ein anderer Staat. Die Einkommen liegen kräftig überm EU-Schnitt. Speziell vor Wahlen ist es zwar opportun, über die ungleiche Vermögensverteilung zu klagen, doch dabei wird die gut geölte staatliche Umverteilungsmaschine ignoriert. Sie produziert Sozialleistungen, Gebührenbefreiungen, Mindestsicherung, Heizkostenzuschüsse und günstige Gemeindewohnungen. Man hat sich an diese Leistungen gewöhnt – manchmal so sehr, dass sie den individuellen Leistungswillen überlagern. Kein Wunder, dass die Politik mit „Armutswanderung“ (eine neue, vorsichtige Wortschöpfung des Wiener Rathauses) aus anderen EU-Ländern kämpft. So viel Unterstützung wirkt anziehend.
Okay, der Winter mag zu lang und zu grau sein, aber die Lebensqualität ist hoch. Für Vergnügungen ist gesorgt: In kaum einem anderen Land fließt so viel Geld in die Kultur – vom Burgtheater bis zum Donauinselfest. Sogar Handytelefonieren ist (noch) billiger als anderswo.
Österreich profitiert enorm vom wirtschaftlichen Binnenmarkt, obwohl es kaum ein Land gibt, in dem heftiger über die EU geschimpft wird. Dank starker Leistungen vieler Unternehmen und ihrer Mitarbeiter lässt sich sogar ein teures Frühpensionsparadies finanzieren. Offenbar gibt es doch noch genügend Optimisten im Land. Man braucht sie, um die Marktwirtschaft in Schwung zu halten. Dem deutschen Handelsblatt war dieses unterschätzte Thema in seiner aktuellen Ausgabe übrigens eine ganze Titelgeschichte wert. Titel: „Optimismus. Der Rohstoff in uns.“
Modellcharakter
Den Österreichern mangelt es an diesem „Rohstoff“, auch wenn es keinen Grund dafür gibt: Das Bildungswesen hat Reformbedarf, ist aber noch immer auf akzeptablem, teils ausgezeichnetem Niveau. Die heimische Gesundheitsversorgung gilt sogar weltweit als vorbildlich. Genauso wie unser Modell der Lehrlingsausbildung, das die Jugendarbeitslosigkeit niedrig hält. Es ist mittlerweile sogar ein „Exportschlager“, auch wenn die Statistik ein wenig geschönt ist, weil viele beschäftigungslose Junge in Ausbildungen versteckt sind.
Es gilt der alte Spruch: Sollte sich der Weltuntergang ankündigen, dann gehen Sie nach Wien. Hier findet alles zehn Jahre später statt. Kleine Anmerkung: Aber erschrecken Sie nicht, dort jammert man schon, bevor der Komet einschlägt.
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