Tussi bis Mutti: Wie Politikerinnen kleingeredet werden
Es ist schon bezeichnend, wie schnell Politikerinnen in einer Schublade landen.
Stellen Sie sich vor: Sie sind eine starke, kinderlose Frau und nötigen ihren fast ausschließlich männlichen Verhandlungspartnern allen Respekt ab – wollen Sie dann gern „Mutti“ genannt werden? Oder: Sie sind jünger, gut aussehend, akademisch gebildet und schupfen einem schwierigen älteren Herrn den im Aufbau befindlichen Laden mit eiserner Disziplin – darf man Sie als „Tussi“ bezeichnen?
Natürlich sollte man Angela Merkel und Kathrin Nachbaur, Stronachs neue Klubobfrau, nicht in einem Atemzug nennen. Aber es ist schon bezeichnend, wie schnell Politikerinnen in einer Schublade landen. Mehr noch als männliche Berufskollegen werden sie unsachlich bewertet. Ist ihre Stimme nicht zu schrill, das Kleid zu kurz, der Ausschnitt zu tief, der Alkoholkonsum zu reichlich? Sind sie zu fett, oder – geht gar nicht – zu machtgeil? Sind sie Rabenmütter, Mannweiber, Tussis oder Muttis? Und warum kommt niemand auf die Idee, Stronach „Opi“ zu nennen?
Leider äußern sich auch Frauen oft besonders abfällig über ihre Geschlechtsgenossinnen oder applaudieren Männern, die das tun. Oberösterreichs SPÖ-Chef Josef Ackerl (nennt ihn eigentlich irgendwer einen „gealterten Juso“?) entschuldigte sich immerhin für seinen auf Facebook getätigten „Tussi“-Sager (über Nachbaur) – aber erst nach massiver Kritik. Alle anderen, die dieselbe Bezeichnung regelmäßig für die einzige Parteichefin des Landes – Eva Glawischnig – verwenden, könnten darüber auch einmal nachdenken.
Lösen Frauen an der Macht unbehagliche Gefühle aus? Merkel verdankt es wahrscheinlich auch ihrer unbeirrbaren, spröden Art, dass sie für so viele wählbar war. Nicht einmal angesichts ihres Wahltriumphes erlaubte sie sich Jubel. Bloß keine (weibliche?) Emotion zeigen! Als „Mutti“, als Pastorentochter, und früher als „Kohls Mädchen“ löste sie nie Killerinstinkte aus. Gut möglich, dass sie (oder ihr Berater-Team) mit ihren komischen Bezeichnungen sogar erfolgreich gespielt hat.
Auch unsere (Noch-)Finanzministerin mit der losen Zunge hat schon damit kokettiert, der „einzige Mann in der Regierung“ zu sein. „Einzige Frau in der Regierung“ wäre wahrscheinlich kein Adelstitel. An Fekter klebt das Image „Flintenweib“. Ja, sie redet sich gelegentlich um Kopf und Kragen, beweist aber mehr Mumm und Ideologie als so mancher, bei Journalisten beliebtere Schöngeist. Wiens Grünen-Chefin Maria Vassilakou wiederum kann man ruhig für ihre, ähem, originelle Verkehrspolitik kritisieren, aber auch das gerät schnell auf eine unsachliche Ebene, wenn hinter vorgehaltener Hand über die „Griechin“ gelästert wird.
Frauen sind nicht die besseren Menschen, man soll ihre (Un-)Taten ruhig kritisch bewerten – aber bitte ohne diesen frauenfeindlichen Unterton! Dieser sagt im Grunde mehr über den aus, der ihn benutzt, als über die, denen er gilt.
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