Salomonisch: Genug genörgelt

Martina Salomon
Eine Anti-Wutbürger-Erklärung.
Martina Salomon

Martina Salomon

War heuer wirklich alles schlecht? Ach was! Das Christkind zum Beispiel ist krisenresistent, die Wirtschaft freut sich gerade über ein besonders gutes Weihnachtsgeschäft. Und, juhu, das Triple A haben wir auch gerade ins nächste Jahr hinübergerettet! Die Lebenserwartung der Österreicher hat sich 2011 wieder um zwei Monate verlängert. (Und würde es den Österreichern endlich gelingen, das Tabakgesetz an die zivilisierte westliche Welt anzupassen, dann gäbe es hier sogar noch buchstäblich Luft nach oben.)

Reich und ...

Österreich ist noch immer fünftreichster Staat der EU – und wenn die Politik mehr den Innovationsgeist statt Frühpensionen fördern würde, wäre das Land überhaupt unschlagbar: gesegnet mit schönen Landschaften, grüner Energie und Tüchtigkeit.

Beim sozialen Gleichgewicht schneidet Österreich hervorragend ab und liegt laut Gini-Koeffizient noch vor Deutschland. Jeder Wutbürger kann hier seine Meinung hinausposaunen, wir leben in einem freien Staat. Selbst in der hierarchischsten aller Einrichtungen, der Kirche, bleibt ein Aufruf zum Ungehorsam folgenlos.

Über die steigende Zahl an Teilzeitjobs könnte man endlich auch weniger raunzen: Eltern – zugegeben, viel mehr Mütter als Väter – versuchen eben, Kind und Job unter einen Hut zu bringen. Schlimm? Statt zu unken, dass das den Müttern später auf den Kopf fallen wird, sollte man lieber dafür sorgen, dass Frauen nicht vom Arbeitsmarkt verdrängt werden, sobald die Kinder groß sind. Außerdem steigt die Zahl der Männer, die sich ebenfalls um den Nachwuchs kümmern.

Auch das Gejammere über die Umweltpolitik ist relativ: Einst hat man sich die Kioto-Ziele zu hoch gesteckt, daher haben wir jetzt Probleme, diese Latte zu überspringen.

Österreich ist Gott sei Dank nicht nur Weltmeister im Nörgeln, sondern auch in Bio-Landwirtschaft, Musik, Skisport und Tourismus. Aber das versteht sich ohnehin von selbst.

... gemütlich

Wien gilt laut neuester Studie des Beratungsunternehmens Mercer als Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt. Wer aus anderen Großstädten in die, äh, Weltstadt Wien kommt, schätzt hier eine gewisse schlampige, aber durchaus kreativitätsfördernde Gemütlichkeit. Geschäfte werden im Kaffeehaus vereinbart, und nirgendwo sonst ist der Subventionshahn für Hochkultur so großzügig aufgedreht.

Jetzt muss nur noch die Große Koalition effizienter arbeiten. In der Krise liegt aber vielleicht sogar ihre einzige Reformchance. Selbst das ist doch eine gute Nachricht!

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