Digitaler Verdruss und analoge Renaissance
Wer heute noch an Datenschutz glaubt, dem ist nicht zu helfen.
Das digitale Zeitalter hat uns das Fürchten gelehrt, die Euphorie ist vorbei. Wir haben unsere Privatsphäre verloren und dabei auch noch willig mitgeholfen. Wer heute noch an Datenschutz glaubt, dem ist nicht zu helfen. Aber darf man auch einmal offline sein? Kaum. Die neuen Stromzähler zum Beispiel sollen künftig jede Viertelstunde den aktuellen Energieverbrauch aus der Wohnung melden.
Gleichzeitig sind wir zur Do-it-yourself-Gesellschaft geworden. Das hat einerseits ganze Branchen in den Ruin getrieben, andererseits den Firmen Geld sparen geholfen, ohne dass sie sich mit günstigeren Preisen revanchiert hätten. Wir haben uns insgesamt in die Abhängigkeit einiger weniger internationaler Konzerne begeben, die uns ihre Bedingungen diktieren.
Demnächst werden übrigens Audi und Google kooperieren. Das Auto der Zukunft ist nicht nur permanent ortbar, sondern wird auch mitteilen, was gerade zu tun oder zu lassen ist. Möglicherweise verblödet der Mensch in dieser „schönen neuen Welt“ gerade ein bisschen – aber wen stört’s?
Interessanterweise bahnt sich gerade eine kleine „analoge“ Renaissance an. Die Bürger haben immer weniger Lust, durch neue Techniken wie der Patientendatenerfassung „ELGA“ oder den digitalen Stromzählern zum gläsernen Menschen zu werden. Man meldet sich massenhaft vom „Fortschritt“ ab, weil die Verknüpfung zwischen Bürokratie und lückenloser Überwachung Unbehagen bereitet. „Analoges“ verkauft sich (wieder): Im Weihnachtsgeschäft 2013 waren Bücher ein Hit – und sogar die Hersteller von Papierkalendern meldeten (trotz des Siegeszugs der Smartphones!) verdutzt ein Umsatz-Plus. Die Menschen gehen nach wie vor ins Kino, schauen auch wieder mehr fern. Und die amerikanische Investorenlegende Warren Buffett hat zuletzt in Zeitungen investiert. Klar, die sind in den USA gerade billig zu haben. Aber Buffet kauft nichts, was sich nicht langfristig rentiert. Selbst die gute alte Langspielplatte feiert ein Revival.
Der Blogger als Warner
Die NSA-Abhöraffäre hat aus manchem Internet-Aficionado einen Skeptiker gemacht: So verblüffte der Spiegel-online-Blogger Sascha Lobo kürzlich in Wien. Er war mit dem als Widerpart eingeladenen FAZ-Herausgeber und Internet-Skeptiker Frank Schirrmacher nämlich völlig einer Meinung. Beide warnten davor, dass demokratische Grundrechte der Digitalisierung zum Opfer fallen.
Schon klar: Der Geist ist aus der Flasche, es gibt kein Zurück. Aber die „analoge“ Welt gibt kräftige Lebenszeichen von sich.
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