Salomonisch: Das Verschwinden der bürgerlichen Tugenden

Salomonisch: Das Verschwinden der bürgerlichen Tugenden
Warum mancher Manager über ein "Das tut man nicht" nachdenken sollte.
Martina Salomon

Martina Salomon

Intellektuelle Zirkel haben im vergangenen Sommer europaweit diskutiert, ob die Linke doch recht hat, wie konservative Schreiber vom Schlage eines Frank Schirrmacher behaupteten. A Aber ist das Problem der sogenannten Rechten - die es wirtschaftspolitisch in Österreich nie gab - nicht eher, dass vielen Managern schlicht die bürgerlichen Tugenden abhanden gekommen sind? Und war das nicht das eigentliche Problem von Schwarz-Blau (die letztlich auch viel "linke" Politik machte und den Wohlfahrtsstaat mit Hacklerregelung und Kindergeld ausbaute)? In bürgerlichen Familien waren früher Redewendungen wie "Das tut man nicht" und "Das haben wir nicht notwendig" üblich, auch wenn die Jungen das als grauenvoll "spießig" bekämpften. Aber es wäre nicht das Allerschlechteste, würden Politik, Unternehmen und letztlich auch Familien danach handeln. Diese ethischen Leitplanken sind in der "Preisknaller"- und "Willhaben"-Gesellschaft abmontiert worden. Doch die Achtlosigkeit im Umgang miteinander und mit öffentlichem Eigentum wird langfristig und als Gegenreaktion eine unsympathische Law-and-Order-Politik mit strengen Strafen erzeugen.

Die Vorboten sind schon da:

Dass Gratis-Blätter und Fast-Food-Papierln nicht auf den Boden, sondern in den Müll gehören, müssen die Wiener Linien ihrer Kundschaft extra erklären. Im Gemeindebau sind bereits Tausende Kameras nötig, damit zum Beispiel nicht in den Lift gepinkelt wird. Und Firmen, die auf sich halten, haben neuerdings strikte "Compliance-Regeln", eine Art Benimm-Kodex. Das alles scheint nötig zu sein, weil die soziale Kontrolle innerhalb der Gesellschaft weitgehend verschwunden ist, ohne dass das individuelle Verantwortungsbewusstsein gestiegen wäre. Die (von Andreas Khol einst beschworene) "Bürgergesellschaft", die Verantwortung für sich und andere übernimmt, gibt es immer weniger. Und je mehr sich "die da oben" herausnehmen, desto mehr fühlen sich auch "die da unten" berechtigt, Grenzen zu überschreiten.

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