Richter mit Hang zur Moralpredigt

Martina Salomon

Martina Salomon

Damit begibt sich die Justiz aber auf gefährliches Terrain

von Dr. Martina Salomon

über Judikatur und Wahrnehmung

Derzeit stehen Richter hoch im Kurs, die „ihren“ Angeklagten aus der Politik Moralpredigten halten. Auch wenn Alfons Mensdorff-Pouilly am Donnerstag mangels Beweisen freigesprochen werden musste, können sich viele Rechtsexperten des Eindrucks nicht erwehren, dass Urteile häufiger von moralischen Erwägungen denn vom Strafrecht angetrieben sind.

Damit begibt sich die Justiz aber auf gefährliches Terrain. Denn das bedeutet: Wenn die veröffentlichte Meinung den Kopf des Angeklagten fordert, dann wird dieser auf dem Silbertablett präsentiert. Der Applaus für „mutige“ Richter und Richterinnen ist damit ja garantiert. Keine Frage, Ernst Strasser, der grottenschlechte Geheimdienst-Darsteller, und Josef Martinz, der „nützliche Idiot“ Haiders, haben Strafe verdient. Aber nicht weil sie sich schlecht verteidigt haben oder „Ungustln“ sind, sondern weil sie gegen Gesetze verstoßen haben. Aber vier Jahre unbedingte Haft für den einen und fünfeinhalb für den anderen (beide noch nicht rechtskräftig) ist für bisher unbescholtene Personen ungewöhnlich, wenn nicht sogar unverhältnismäßig. Hier werden Exempel statuiert.

Das war bei Helmut Elsner kaum anders. Auch er galt als unsympathischer Despot, hat daher die ganz große Justiz-Keule zu spüren bekommen. Andere hingegen, wie der smarte Wolfgang Flöttl, verließen den Gerichtssaal unbehelligt. Und da reden wir noch gar nicht vom Systemfehler, wonach Verbrechen gegen Leib und Leben deutlich milder geahndet werden als jene gegen Hab und Gut. Auch renommierten Strafrechtsprofessoren wurde angesichts der „moralischen“ Begründung der „Präventiv-Urteile“ gegen Strasser und Martinz etwas mulmig.

Richter sollen kühl und aufgrund erwiesener Fakten urteilen, aber sich lieber nicht als Moralinstanz aufspielen. Die Frage des Richters, ob sich Mensdorff-Pouilly noch in den Spiegel schauen könne, ist entbehrlich. Es zeigt nur, dass ihm klar ist: Gegen den ausgefuchsten Grafen ist Strasser ein Dilettant. Aber vielleicht schauen die heimischen Richter ja nur zu viel fern. In den US-Anwaltsserien neigen Richter nämlich auch zum Predigen.

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