Plötzlich vogelfrei: Was es bedeutet, Politiker zu sein

Martina Salomon

Martina Salomon

Ein Wechsel in die Politik darf nicht bedeuten, plötzlich vogelfrei zu sein

von Dr. Martina Salomon

über den Beruf des Politikers

Viel bösartiger geht's kaum: „Österreichs geizigste Politikerin“ titelt die Illustrierte News diese Woche. Ex-Ministerin Beatrix Karl in voller Balladjustierung ziert das Cover. Für ihr Kleid habe die „ÖVP-Lady“ einer Schülerin lediglich zwei Euro Stundenlohn bezahlt, so der Vorwurf.

Karls „Vergehen“: Sie hatte sich wie ein paar andere steirische Vorzeigefrauen auf Anfrage einer Direktorin als PR-wirksames „Model“ für ein Grazer Schulprojekt zur Verfügung gestellt und das für sie im Rahmen einer verpflichtenden Schulübung geschneiderte Kleid am wichtigsten Grazer Ball getragen. Skandal?! Damit wurde im „Kleinen“ praktiziert, was auf den roten Teppichen dieser Welt gang und gäbe ist: Mode- und Schmucklabels stellen Fernsehserien- und Opernstars bzw. -sternchen, Slalomköniginnen und TV-Köchinnen ihre Kreationen für einen Abend gratis zur Verfügung. Von der Sportlergala bis zum Opernball defilieren diese dann in geborgten Roben, damit der Glanz der Trägerin auf die Firma fällt.

Blaues Wunder

Im „Fall“ von Frau Professor Karl hatte die Ex-Ministerin den Stoff zur Verfügung gestellt und – nach der News-Recherche – auch die Schülerarbeitszeit bezahlt. Insgesamt 600 Euro kostete so das blaue Wunder. Wobei man dem modischen Ergebnis, nun ja, verhaltenen Applaus zollen kann. Alles in allem eine ziemlich belanglose Sache.

Aber die Politik wird mit verzerrten Maßstäben gemessen: Selbst angesehene Bürger finden sich schnell im Abseits wieder, siehe der Ex-ORF-Moderator Eugen Freund. Klar gab es einige extrem ungeschickte Äußerungen des nunmehrigen EU-Kandidaten der SPÖ. Aber prüft, umgekehrt, irgendjemand Medienleute oder Manager, ob sie Milchpreis oder Arbeiter-Durchschnittsgehalt auf Abruf bereit haben und moralisch integer sind? Galt nicht auch Frank Stronach vor seinem Polit-Debüt als bewunderter Selfmademan und nicht als schrulliger Kauz?

Der umgekehrte Weg funktioniert übrigens auch: Jetzt lobt man zum Beispiel Alfred Gusenbauers hohe Intelligenz und Eloquenz, während er als Politiker vor allem durch mangelnde Sozialkompetenz von sich reden machte.

Sehnsucht haben die Genossen aber wohl eher nach Franz Vranitzky, einst als steifer Nadelstreifsozialist verschrien. Erhard Busek wiederum wird heute als „Instanz“ gewürdigt, obwohl er – sogar per Selbstdefinition – in seiner Vizekanzlerzeit als „kalte Knackwurst“ galt.

Wer tut sich das noch an?

Natürlich sollen aktive Politiker niemals sakrosankt sein: Beatrix Karl war sicher zu blass für die Spitzenpolitik und Eugen Freund hat keine Mission, außer, noch nicht in Pension gehen zu wollen. Dafür kann man sie ruhig kritisieren. Aber ein Wechsel in die Politik darf nicht bedeuten, plötzlich vogelfrei zu sein. Das ist der Grund, warum reflektierte, interessantere Menschen diesen Schritt eher scheuen. Warum sollen sie ihren Ruf mit Parteipolitik ruinieren und nach wenigen Jahren vielleicht sogar als Versorgungsfall gelten?

Damit ist jedoch ein Teufelskreis in Gang gesetzt: Wir beklagen, dass die Volksvertretung fast nur noch aus farblosen Kämmerern, Beamten und glatten Berufspolitikern besteht. Allen anderen kann man aber nur dringend abraten, sich diesen Job anzutun.

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