Höhenflug der Selbstfindungsindustrie
Noch nie haben sich die Medien so um den Dalai Lama, Oberhaupt des buddhistischen Ordens der Gelbmützen, gerissen wie beim diesjährigen Österreich-Besuch. Wie sich "seine Heiligkeit" neulich schelmisch den Orden des Kärntner Landeshauptmannes mit der zu kurzen Kette übers Ohr hängte – das hatte was. Mehr Humor würde auch den christlichen Bischöfen nicht schaden!
Aber das ist längst nicht alles. "Mit der Kraft der Shaolin denken, handeln und führen": Unter diesem Titel fand sich dieser Tage der Kurs eines bekannten Fortbildungsinstituts im Mail-Fach. Und wenn Mönche singen, dann stürmen sie gleich die Charts, selbst wenn es sich um einen katholischen Orden handelt wie im Falle von Heiligenkreuz. Deren (lateinische!) Choral-CD ging mehr als 200.000-mal über den Ladentisch. Was kommt noch? Feministisches Tantra-Töpfern für Führungskräfte im Waldviertel (© Guido Tartarotti)?
Vom Suchen nach Inspiration leben auch Ex-Spitzensportler gut – wie Olympiasieger Felix Gottwald, der mit seinem Buch "Die Stille zum Erfolg" durch die Lande tourt. Wer jetzt noch immer keinen Coach für besseres Leben und Arbeiten hat, ist praktisch ein Armutschkerl.
Der Boom der Glücks- und Selbstfindungsindustrie ist wohl die Antwort auf eine unübersichtlicher gewordene Welt. Die Menschen haben die Nase voll von düsteren Aussichten, sehnen sich nach positiven Nachrichten. Man zieht sich so oft wie möglich zur Wellness zurück (kein Zufall, dass dort von "Tempeln" gesprochen wird) und findet mühsame Real-Politik geradezu anstößig.
Die – vielleicht – schmerzhafte Wahrheit ist: Das alles sind Luxusprobleme einer übersättigten Gesellschaftsschicht. So lange wir zum Trommelkurs gehen, um "unsere Mitte zu finden", kann es uns nicht ganz schlecht gehen.
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