Der Mut adelt die Meinungsfreiheit

Martina Salomon

Martina Salomon

Der gefahrlose Mut ist weit verbreitet.

von Dr. Martina Salomon

über Zivilcourage

Wir sind Charlie“ – ein Spruch, der alle eint, die Meinungsfreiheit als hohes Gut betrachten. Aber hat man in unserem schönen Land auch dann noch Courage, wenn es wirklich darauf ankommt?

Das „Charlie“-Transparent am Wiener Rathaus ist ja nett. Aber wehe, ein im Solde der Stadt stehender Lehrer oder eine Ärztin gibt ein nicht vom Magistrat genehmigtes Presse-Interview. So kritisieren zwar viele Pädagogen hinter vorgehaltener Hand die „Neue Mittelschule“, aber öffentlich tun sie das kaum. Ein Rüffel wäre ihnen gewiss, karriereförderlich ist das schon gar nicht. Wer Direktor werden will, muss ja auch heute noch in etlichen Bundesländern eine Parteimitgliedschaft haben.

Und wenn der KURIER Stadtgespräche zu Konfliktpunkten in Wien veranstaltet, dann „schraubt“ sich so mancher verantwortlicher Politiker vor der Konfrontation. Derzeit übrigens zum Thema AKH. Wer dafür zuständig ist? Niemand – oder alle. Jedenfalls schiebt es einer situationselastisch auf den anderen.

Der gefahrlose Mut ist weit verbreitet. Ein „Like“ auf Facebook erfordert wenig. Im Kulturbereich zum Beispiel kommt seit Jahrzehnten kaum eine Theaterinszenierung ohne Anwürfe gegen die katholische Kirche aus, der Blasphemieparagraf ist totes Recht. Trotzdem wird bei anderen Religionsgemeinschaften Zurückhaltung geübt. Es ist gefahrlos, gegen eine ältere Kaffeehausbesitzerin zu demonstrieren, die keine knutschenden Pärchen in ihrem hundert Jahre alten Ringstraßen-Lokal duldet. So wie es auch kein besonderes Wagnis ist, für bärtige Männer in Frauenkleidern oder gegen den „Akademikerball“ in der Hofburg einzutreten, wenn das gerade alle tun.

Aber stehen Sie auf und vertreten mutig Ihre Meinung – auch dann, wenn dafür Häme droht? Wagt jemand einzugreifen, wenn eine Frau auf offener Straße angepöbelt wird? Widersprechen Sie Ihrem Boss oder heulen Sie mit den Wölfen? Eilen Sie bei einem Meeting Ihrem Kollegen zu Hilfe, der sich gerade um Kopf und Kragen redet?

Könnte sein, dass es mit unserer Zivilcourage in Wahrheit gar nicht so weit her ist.

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