Letztlich war es eine Ankündigung kurz vor Weihnachten, die das Fass zum Überlaufen brachte. An die Verschwiegenheitsklausel fühlten sich nun viele nicht mehr gebunden. Zu dreist schien ihnen das, was sie im Video zu hören bekommen hatten.
Am 18. Dezember gaben Eva Walderdorff, Präsidentin der Weinviertler Festspiele, und Intendant Peter Svensson bekannt, dass im Juli 2021 Wagners „Ring des Nibelungen“ aufgeführt werde – „erstmals in der 145-jährigen Aufführungsgeschichte“ unter freiem Himmel. Und zwar in der „Felsenarena“ von Limberg-Maissau.
Man verspricht Bombastisches: „Spektakuläre Projektionen, 3D-Mappings sowie Fantasy-Elemente werden in Kombination mit der beeindruckenden Naturkulisse den ,Ring‘ in die Natur einbetten.“ Und die Musiker werden „unsichtbar in einem ,Natur-Bayreuth‘-ähnlichen Orchestergraben“ platziert.
Bereits bei den ersten Festspielen im Sommer 2020 seien „Stars der Wagner-Welt wie Anna Gabler, Martina Serafin, Günther Groissböck, Tomasz Konieczny, Thomas J. Mayer, Renè Pape und Peter Svensson auf der Bühne zu erleben“ gewesen. Und auch für 2021 hätten „bereits einige dieser Künstler“ ihre Mitwirkung zugesichert.
Das darf bezweifelt werden. Denn Renè Pape postete am 26. September auf Facebook: „Peter Svensson zahlt versprochene Gagen nicht! (...) Es tut mir um alle Kollegen leid ...“ Aber man dürfte auch Peter Svensson, geborener Hofmann, nicht hören: „Im Rahmen des Festivals 2021 wird er weder eine künstlerische noch eine kaufmännische Funktion innehaben“, sagt Eva Walderdorff plötzlich.
Die PR-Lady und „Society-Gräfin“ ist überaus charmant. Und bemüht, ihre Festspiele ins rechte Licht zu rücken. Sie möchte daher über die Überschrift dieses Artikels reden. Das Festival würde neu durchstarten oder so. Aber keinesfalls möchte sie lesen, dass Svensson zurückgetreten sei. Warum der gelockte Heldentenor entgegen der Ankündigung nicht mehr dabei sei, wollte Walderdorff aber nicht erklären.
Sommerakademie
Eines ist sicher: Die Idee zu den Wagner-Festspielen, für die Gustav Kuhn und Erl Pate gestanden haben dürften, hatte Svensson. Im April 2018 verkündete er, dass sie in der „Felsenarena“ von Falkenstein stattfinden würden. Im August. Klotzen statt kleckern: Neben der „Walküre“ wollte der Obmann des „Vereins der Sommerakademie Falkenstein“ auch „Carmen“ und „Fidelio“ ansetzen.
Später bekannte Svensson ein, dass aus der Felsenarena nichts wird; gespielt würde nun am Heldenberg. Diese Spielstätte werde wohl bleiben, wie Svensson erklärte: „Zusätzlich wollen wir im nächsten Jahr aber einen neuen Versuch in Falkenstein wagen und dann zwei Spielorte verbinden.“
Was soll man sagen? Die Festspiele fanden nicht statt. Weder 2018 noch 2019. Weder in Falkenstein noch auf dem Heldenberg. Und bereits engagierte Künstler erhielten – nichts. Vertragsgemäß nichts. Nur mit dem Versprechen, dass Svensson auf sie zukommen werde.
Aber im Corona-Sommer fanden die Festspiele statt – den Absagen anderswo zu Trotz. Denn dem Impresario war es gelungen, Mitstreiter zu finden. Eben die PR-Lady („Präsidentin“) sowie den Dirigenten Matthias Fletzberger („Musikdirektor“) und dessen Frau Gesine.
Im August wurde im wenig anmutigen Amphitheater von Mikulov (in Tschechien) „Tristan und Isolde“ und der „Fliegende Holländer“ gegeben. Die Kollegen Peter Jarolin – „eine bereits etwas abgeblätterte weiße Wand dient als Fläche für Video-Projektionen“ – und Susanne Zobl waren eher ernüchtert.
Die Tragik der Veranstalter: Man spielte seltener als geplant – und vor viel weniger Gästen. Dennoch verlautbarte Svensson: „Rund 70 Prozent der Gesamtkosten sind belegbar bezahlt, weitere 15 % liegen bereit. Die restlichen 15 % sind, dank großzügiger Unterstützung weiterer Gönner, bereits am Horizont sichtbar …“
Ganz dürfte die Rechnung nicht gestimmt haben. Denn viele Künstler waren „gebeten“ worden, auf die Hälfte ihrer Gagen (ohnedies nicht berauschend!) zu verzichten. Und so wandten sie sich an den Anwalt Georg Streit von der Kanzlei Höhne, In der Maur & Partner. Er erledigt die Arbeit kostenlos. Eben weil es den freien Künstlern in der Krise ohnedies schon nicht gut geht.
Walhall Academy
Streit stößt sich u. a. daran, dass Arts Management International (von Peter Hofmann) in Brünn die Verträge ausstellte – im Auftrag des Vereins „Vienna Walhall Academy“ (von Peter Svensson).
Natürlich kann man den Künstlern vorwerfen, sehr naiv gewesen zu sein. Aber jede und jeder heischte nach einer Auftrittsmöglichkeit – und war eben verblendet.
Eva Walderdorff weist jede Schuld von sich. „Das Festival 2020 wurde von einem Verein getragen, dessen Obmann Peter Svensson ist. Als Intendant und kaufmännischer Leiter war er allein für die Durchführung verantwortlich. Für diesen Verein war ich ehrenamtlich tätig.“
Die Präsidentin schaut lieber nach vorne: „Eine neu gegründete GmbH wird mit mir als alleiniger Geschäftsführerin das Musikfestival 2021 veranstalten und auch für seine wirtschaftliche Abwicklung zuständig sein.“
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