Wie entpolitisiert der ORF wirklich ist

Die Vorgänge im Stiftungsrat laden nicht dazu ein, dem Entpolitisierungsmythos auf den Leim zu gehen.
Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

Vorgänge laden nicht ein, Entpolitisierungsmythos auf den Leim zu gehen.

von Philipp Wilhelmer

über den ORF-Stiftungsrat

Vor 14 Jahren ist der ORF mit großen Worten entpolitisiert worden. Hinter den Kulissen haben sich die Parteien seither umso hartnäckiger eingenistet. Wie sich die Politik ihren Einfluss im Stiftungsrat sichert, enthüllt am besten der Blick auf die Details. Weil im ORF laut Gesetz keine Politiker mehr erlaubt sind, traten an ihre Stelle Vertraute von Politikern; an die Stelle von Fraktionen traten informelle "Freundeskreise". Informell sind die Gruppen deswegen, weil es die Politik im entpolitisierten ORF ja eigentlich nicht gibt. Logisch, oder?

In dieser Parallelwelt geht es kurioserweise als ebenso logisch wie angemessen durch, dass es "Freundeskreise" zwar nicht gibt, ihren "Koordinatoren" aber bisher mehr Aufwandsentschädigung zustand als den regulären Gremienkollegen. Dieser bemerkenswerte Umstand, der sich Unbedarften nur über ein kompliziertes Konstrukt aus Eigen- und Fremdtäuschung erklären lässt, wurde am Mittwoch auf Antrag des Grünen-Stiftungsrates Wilfried Embacher abgeschafft.

Den Vorsitz führte da übrigens schon der neue Vorsitzende des Stiftungsrates, Dietmar Hoscher, der in seiner Person ebenfalls viele Widersprüchlichkeiten der "Entpolitisierung" vereint. Er gilt als lupenreiner Parteikarrierist, als "Fixstern im roten Wien" und saß in seiner bisher offensichtlichsten politischen Funktion für die SPÖ im Nationalrat.

Dass ihm zu seiner Beziehung zur Partei auf Nachfrage wenig mehr einfiel, als dass er eben Mitglied sei, lädt nicht sonderlich dazu ein, dem Entpolitisierungsmythos weiter auf den Leim zu gehen. Die versprochene ORF-Reform lässt unterdessen weiter auf sich warten.

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