Von Trump lernen?It’s the client, stupid!

Immer mehr Wähler bewegt nicht "Wer wird was?", sondern "Was wird aus mir – und meinen Kindern?".
Josef Votzi

Josef Votzi

Das war keine Niederlage, das war eine schallende Ohrfeige für das ganze Politik-Establishment. Als Donald Trump 2015 ins Rennen um die Nominierung ging, wurde er als krasser Außenseiter belächelt. Nach seinem Durchmarsch bei den Vorwahlen kürten ihn die Republikaner nolens volens zu ihrem Kandidaten. Umfrage-Gurus wie Nat Silver, der bisher jeden US-Präsidenten erfolgreich vorausgesagt hatte, gaben ihm null Sieg-Chancen.

Jetzt fragt sich alle Welt: Why he? Donald, der skrupellose Lügenbaron und TV-gewandte Showman, hat nur erfolgreich genutzt, was längst reichlich da war. Die politische Energie, die ihn ins Weiße Haus trug, hat sich lange vor Trumps Antreten im toten Winkel der politischen und medialen Klasse aufgebaut: Globalisierung und Digitalisierung entwurzeln immer mehr US-Bürger. Sie fühlen sich dabei alleingelassen, das befeuert die Wut gegen "die da oben".

Jeder Zweite im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" hat heute Probleme, 400 Dollar für unvorhergesehene Ereignisse wie eine Autoreparatur oder einen medizinischen Notfall aufzutreiben. Die Schere zwischen Arm und Reich geht noch weiter auf. "In den 1960er-Jahren hat das Wirtschaftswachstum den Wohlstand demokratisiert. In den 2010er-Jahren haben wir es geschafft, die finanzielle Unsicherheit zu demokratisieren", resümiert das US-Magazin The Atlantic. Die Wahrheit hinter vergleichsweise guten US-Wirtschaftszahlen sieht, wie gestern zwei KURIER-Wirtschaftskollegen belegten, so aus: Viele Einkommen sinken, die Zahl der "working poor" steigt, die Ungleichheit wächst rasant – und die Arbeitslosigkeit ist höher als ausgewiesen.

Clinton verlor, weil sie Menschen nicht mitnahm

Handelsbarrieren werden die Krise noch vertiefen.Trump wird sein Heils-Versprechen ("Make America Great Again") so nicht einlösen können. Bleibt er bessere Lösungen schuldig, wird das den Frust noch steigern.

Trumps Triumph ist nur Höhepunkt einer Welle von politischen Erdbeben quer über den Globus. Im Juni lag das Epizentrum mit dem Brexit in Großbritannien. In Frankreich und Deutschland lauern Marie Le Pen und Frauke Petry auf ihre Stunde. In Österreich hofft die FPÖ auf Hofer in der Hofburg und damit den Durchmarsch Richtung Kanzleramt. Die wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen werden in den EU-Wohlfahrtsstaaten noch weitgehend abgefedert. Das Heer der Modernisierungsverlierer wächst aber auch bei uns. Je mehr Medien und Politik Trump in die Mangel nahmen, desto mehr fühlten sich auch seine Anhänger in die Mangel genommen. Wenn es eine Lehre aus dem Trump-Triumph für Europa gibt, dann die: It’s the client, stupid – der Politik-Betrieb dreht sich immer schneller um sich selbst: Wer kann mit wem? Wer wird was?

Aber immer mehr Menschen stellen sich besorgt nur eine Frage: Was wird aus mir und meinen Kindern?

Die vernünftigen Kräfte der Politik "müssen sich bemühen, eine andere Sprache zu finden. Die Regierenden müssen die Menschen mitnehmen", mahnt der große Welterklärer Hugo Portisch im KURIER-Interview ein: "Clinton verlor, weil sie die Sprache Washingtons sprach. Ihr Programm zeigte den Amerikanern keinen Kurswechsel auf."

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