Straches falsches Spiel mit der Neutralität

Bluten für Donezk, Kiew oder die Krim? Wer den Krieg nicht will, muss auf Sanktionen und Diplomatie setzen.
Josef Votzi

Josef Votzi

Straches falsches Spiel mit der Neutralität

von Josef Votzi

über die Sanktionen-Debatte

Heinz-Christian Strache malt den Teufel an die Wand: Jeder Russe, der in Österreich frisches Geld aus dem Bankomaten ziehen oder im Restaurant die Kreditkarte zücken will, erlebt ab sofort ein blaues Wunder. Der Geldhahn ist zu, die EU-Sanktionen "ein Schuss ins eigene Knie". Straches Russen-Story hält einem Faktencheck keine Sekunde stand. Von den EU-Sanktionen sind ein paar Dutzend russische, aber auch ukrainische Potentaten betroffen.

Der blaue Parteichef sucht mit der Gräuelpropaganda nur eine Stimmung im Land anzuheizen: Bluten für Donezk? Das sollen sich doch die Ukrainer und die Russen untereinander ausmachen, das neutrale Österreich sich aber raushalten. Gleichzeitig hofiert sein Parteifreund Ibiza-Urlaubspartner Gudenus – unterwürfigst parteiisch statt Strache-neutral – die Russen mit dummen Parolen, wie in der EU habe eine "Homo-Lobby" das Sagen. Die Wahrheit ist eine andere, wenn auch vielschichtiger als Straches Doppelspiel. Die Westgrenze der Ukraine ist uns näher als die Ostgrenze der Schweiz. Dementsprechend rege war mit Ende des Kalten Kriegs auch die Wiederbelebung der Beziehung mit einem Land, dem Österreich historisch verbunden ist. Das nutzte hüben wie drüben allen. Seit Ausbruch des Grenzkrieges leidet die Wirtschaft in der Ukraine und in Russland, mit Ausläufern bis nach Österreich.

Position beziehen statt feige davonlaufen

Für feiges Davonlaufen und sich schlicht Raushalten, wie Herr Strache empfiehlt,wäre es kurzfristig nicht nur zu spät, es wäre auch ein langfristig schwerer politischer und wirtschaftlicher Fehler. Vielleicht ist eine Rückblende in die dramatischen Umbruchsjahre im ehemaligen Ostblock für mehr Mut zur Courage hilfreich.

Selbst gegen Ende der 1980er-Jahre war der Eiserne Vorhang für viele im freien Westen ein unüberwindliches Faktum – mit wenig realistischer Aussicht auf dauerhafte Änderung. Ende Juni 1989 durchschnitten Österreichs Außenminister Alois Mock und sein ungarischer Amtskollege dennoch gemeinsam symbolisch den Eisernen Vorhang. Ungarn hatte als erstes kommunistisches Land mit dem Abbau schon Monate vor dem Zusammenbruch des Ostblocks begonnen. Ein neutraler Staat nach Strickart Straches hätte nie und nimmer mitgeholfen, den Eisernen Vorhang auch nur einen Millimeter zu lüften.

Eine moderne gelebte Neutralität im Fall des Russland-Ukraine-Krieges heißt daher, laut und deutlich Nein zu den permanenten militärischen Grenzüberschreitungen Moskaus zu sagen. 25 Jahre nach Fall der Berliner Mauer verdient aber auch der provokante Plan der Ukraine, an der über 2000 km langen Grenze zu Russland eine Mauer zu errichten, mehr als diplomatisches Weghören.

Es ist daher vernünftig und richtig, was Außenminister Sebastian Kurz und der Kanzler proklamieren: Wer einen Krieg nicht und den Wirtschaftskrieg zu beiderlei Nutzen kurz halten will, muss auch jeden Kanal nutzen, um mit beiden Streitparteien zu reden, reden, reden...

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