Sie haben keine Zeit, Frau Bildungsministerin
Wir haben Jahrzehnte mit sinnlosen Schuldebatten vergeudet.
Vor genau drei Monaten hat der KURIER mit einer Reportage aus einer Neuen Mittelschule in Wien-Margarethen die Bildungsdiskussion neu angestoßen. Dass es mitten in Wien viele Klassen gibt, in denen nicht in einziges Kind Deutsch kann, hat auch so manche Experten aufgeschreckt. Und die Aussage der Schuldirektorin, dass rund ein Drittel der 15-Jährigen "nicht vermittelbar" sei, war und ist schockierend.
Als bewährte Wissenschaftlerin will die neue Bildungsministerin Sonja Hammerschmid "faktenbasiert" agieren. Das wird ihr geringstes Problem sein. Im Zuge unserer Serie wurde mehrfach nachgewiesen, dass gerade benachteiligte Kinder unbedingt Ganztagsschulen brauchen. Im KURIER-Interview kündigt Hammerschmid Gespräche mit der Gewerkschaft über das Dienstrecht an. Allerdings, so die ehemalige Schuldirektorin Heidi Schrodt: "Ganztagsschule gelingt nur dort, wo sich die Lehrer verantwortlich für die Kinder fühlen." Das tun sie hoffentlich immer, aber wie in jedem Betrieb muss es eine Führung geben, die Ziele setzt und diese auch überprüft. Womit wir bei der Autonomie wären, die die Bildungsministerin aus ihrer Zeit als Rektorin kennt und jetzt schnell umsetzen muss. Aber für all die notwendigen Entscheidungen können wir nicht wieder jahrelang diskutieren. Ob es uns recht ist oder nicht – die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt, wir brauchen kaum noch Hilfsarbeiter, dafür umso mehr IT-Experten und viele innovative, kreative Kräfte.
Bildungskompass für alle Kinder
Rudolf Hundstorfer hat noch als Sozialminister ein Gesetz vorgeschlagen, um aus der Schulpflicht eine Ausbildungspflicht zu machen. Jährlich verlassen fünf- bis zehntausend Jugendliche mit 15 Jahren ohne Abschluss und ohne die nötigen Grundkenntnisse die Schule. Sie müssen künftig entweder weiter in die Schule gehen oder eine Lehre beginnen. Markus Hengstschläger geht noch weiter und will einen Bildungskompass für jedes Kind. Schon im Kindergarten soll der Nachwuchs auf Fähigkeiten, Talente und Schwächen getestet werden, dann müssen mit den Eltern Ziele für die Kinder erarbeitet werden, bis zum Ende der Ausbildung. Was eigentlich wie eine Selbstverständlichkeit klingt, nämlich das Wertvollste einer Gesellschaft zu fordern und zu fördern, verschwindet bei uns irgendwo in der Bürokratie.
Auch die Lernmethoden gehören endlich modernisiert. Kein Lehrer kann so spannend die Konflikte der Ersten Republik erzählen wie die Dokumentationsreihe Österreich I. Das können sich die Schüler auch alleine anschauen. Aber für die Diskussion über die Ursachen der Konflikte und mögliche Parallelen zur Gegenwart brauchen die Schüler einen historisch gebildeten Ansprechpartner. Die Schule muss Teil der digitalen Welt werden.
Noch ein Hinweis an Frau Hammerschmid: Vor allem Ministerin Claudia Schmied hat sich gute Noten am Boulevard mit viel Geld erkauft. Geld für die Verblödung der Menschen – das können wir uns nicht mehr leisten.
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