Wie sich Österreichs Europapolitik auf den Magen schlägt

Ist der Europäische Union noch zu helfen? Nicht in Österreich, wo es in erster Linie um Bienenrettung und Chlorhuhn-Verhinderung geht.
Martina Salomon

Martina Salomon

Wie sich Österreichs Europapolitik auf den Magen schlägt

von Dr. Martina Salomon

über den EU-Wahlkampf

Was bleibt eigentlich von diesem EU-Wahlkampf, falls Sie ihn überhaupt schon bemerkt haben? Bisher vor allem das "Chlorhuhn". Es ist quasi in aller Munde. Im Bemühen, den EU-kritischen Wählern zu gefallen, sind Grün, Rot und Blau beim grauslichen Essen gelandet. Viel mehr fällt ihnen zu Europa, 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und einer der friedlichsten Phasen der Geschichte nicht ein? Beschämend!

"Chlorhuhn und Genmais dürfen auf keinen Fall auf österreichischen Tellern landen": Man kann nur hoffen, dass dieser Satz nicht Eugen Freund, sondern "nur" seinen Spin-Doktoren eingefallen ist.

Emotionen statt Fakten

Sollten im Rahmen eines Freihandelsabkommen mit den USA tatsächlich mit (desinfizierendem) Chlor behandelte amerikanische Hendln auftauchen, dann könnte sich der Kunde doch immer noch selbstbestimmt fürs heimische Bio-Huhn entscheiden! Einheitsware gibt es nur noch in Kuba.

Außerdem ist davon auszugehen, dass sich 300 Millionen Amerikaner nicht freiwillig selbst vergiften – das müsste auch Eugen Freund wissen, der sehr lange (und gern) in den USA gelebt hat. Die Sache wirkt zwar nicht appetitlich, ist aber wohl nicht gesundheitsgefährdend. Macht nichts, dieses Thema bringt auch bei der Kronenzeitung Pluspunkte.

Wenn es aber um tatsächliche, schwere Gesundheitsgefährdung geht, ist man in Österreich schwerhörig: So sind die Jugendlichen hierzulande laut WHO Tschick-Europameister: 30 Prozent der 15-jährigen Burschen und Mädchen rauchen zumindest ein Mal wöchentlich. Der Nichtraucherschutz hinkt selbst Balkan-Staaten hintennach. Wen kümmert’s?

Da konzentrieren wir uns doch lieber auf Lebensmittel, wo es selten um Fakten und oft um Emotionen geht. Das wissen auch die Handelskonzerne, weshalb sie sich als Bienenschützer und Anti-Gentechnik-Kämpfer präsentieren.

Lebensmittel als Feind

Apropos Biene: Seit sich der Riesenwirbel um die – letztlich verbotenen – Neonicotinoide wieder gelegt hat, erscheinen unbemerkt neue Studien. Sie belegen, dass das Bienensterben vielleicht doch nicht vom Saatgutbeizmittel verursacht wird. Zumindest ist es ein Mix aus Ursachen, die die Biene töten, allen voran die Varroamilbe und die "Faulbrut".

Im letzten Winter gab es übrigens nicht einmal ein außerordentliches Bienensterben. Aber die Kampagne, die den Umweltorganisationen einen gewaltigen PR- und Spendenschub brachten, hat eine sachliche Diskussion verunmöglicht.

Wirklich problematische Reformen werden hingegen nicht groß diskutiert: zum Beispiel die EU-Lebensmittelinformationsverordnung: Weil eine hysterischer werdende Gesellschaft meint, in jedem Lebensmittel einen Feind zu entdecken, müssen nun Wirte auf jeder Speisekarte auflisten, welch potenziell allergene und sonst wie "böse" Inhaltsstoffe sich in ihrem Essen befinden. Ein unglaublich bürokratischer und teurer Aufwand, der – so wie die in den USA üblichen ellenlangen Warnhinweise – eher sinnlos ist. Retten wir Biene und Backhuhn, aber bitte auch unseren Hausverstand!

Hier geht es zum EU-Special.

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