Politiker sind eben auch nur Menschen

Eine Erkenntnis, die in unserem obrigkeitshörigen Staat Ober- und Untertanen erst verstehen müssen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Eine Erkenntnis, die in unserem obrigkeitshörigen Staat Ober- und Untertanen erst verstehen müssen.

von Dr. Helmut Brandstätter

über Pröll

"Sie gehören auch zu jenen Menschen, die meine Wichtigkeit überschätzen", sagt Erwin Pröll im Gespräch mit meiner Kollegin Ida Metzger. Und dann lacht er. Also was? Wurde er überschätzt? Hat er sich überschätzt? Oder ist es so, dass die Österreicher nach 70 Jahren Demokratie noch immer kein normales Verhältnis zu ihren Politikern entwickelt haben. Der Landeshauptmann erschien vielen als übermächtig. Um ihn zu bekämpfen, wurde sogar eine Sudelkampagne im Internet organisiert. Auch die Kollegen vom stets Pröll-kritischen Falter, die ebenso wie viele andere Journalisten die kolportierten Vorwürfe recherchierten, fanden keine Anhaltspunkte dafür, dass da etwas dran war. Außer eben der Austriazismus, dass man gegen Mächtige hinterrücks agiert. Dabei hat Pröll Widerspruch, auch laut vorgetragen, akzeptiert. Jedenfalls nach einer gewissen Kontaktsperre, die ein paar Monate dauern konnte, wie man auch hierorts erfahren durfte. Auch Arbeitsbeziehungen machen nur auf Augenhöhe Sinn.

Obrigkeitsdenken, verbunden mit Tritten gegen das Schienbein oder Überfällen von hinten, ist ein Erbe des Habsburgerstaates, wo es Revolutionen gar nicht, erfolglos oder mit geballter Faust gab. Im Osten fand die Bauernbefreiung durch Hans Kudlich 1848 eine gesetzliche Grundlage, die Umsetzung dauerte. Im Westen gab es wenigstens den aufmüpfigen Andreas Hofer als Vorbild. Der kleine, durch den Bürgerkrieg geschwächte Staat der 1. Republik ging im Nationalsozialismus unter, wo die Wiener Blockwarte in ihrer Unterwürfigkeit besonders "effizient" waren. Und nach dem 2. Weltkrieg legten sich zwei Parteien über den Staat, die nicht mehr aufeinander schießen und den sozialen Frieden durch Packeln und Posten verteilen sichern wollten.

Mut kann sich auch auszahlen

Die Zeit der Großparteien ist vorbei, was Organisation und Ideologie betrifft. SPÖ und ÖVP kennen den Beamtenstaat mit Landwirtschaft und Industrie, mit Ideen von gestern suchen sie Antworten für morgen. Die Historikerin Anne Applebaum sagt im Spiegel: "Der alte Kampf zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten ist bedeutungslos geworden, weil Einflüsse von Kirche und Gewerkschaften verblassen. Nationalisten und Populisten haben das früher begriffen." In Österreich geht’s langsamer. Manche leben noch immer nach dem Motto: "Die Partei hat immer recht". Aber es ist kein Zufall, dass Kanzler Kern ein neues Wahlrecht will, weil Mehrheiten Geschichte sind. Noch wichtiger wäre ein Persönlichkeitswahlrecht, um Unabhängige ins Parlament zu kriegen. Sebastian Kurz glaubt nicht mehr ans Parteiensystem und träumt von einer Bürgerbewegung.

Mut kann sich manchmal auszahlen: Der neue Wiener Stadtschulratspräsident Himmer wurde als Häupl-Kritiker bekannt. Als der Bürgermeister über die geringe Arbeitszeit der Lehrer lästerte, konterte Himmer: "Medialer Rülpser". Dass Himmer sich als Gewerkschafter sicher fühlte, wird dabei auch nicht geschadet haben.

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