Was wird jetzt mit der Mitte-rechts-Regierung?

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Die Probleme von Sebastian Kurz bei der Regierungsbildung hätten andere gerne. Die Aufgabe ist dennoch heikel.
Rudolf Mitlöhner

Rudolf Mitlöhner

Es ist eingetreten, was kluge Beobachter schon vor dem 29. September prophezeit haben: Sebastian Kurz würde zwar gestärkt aus den Wahlen hervorgehen, es aber deutlich schwerer haben, eine stabile, in sich stimmige Regierung zu bilden.

Freilich, die Probleme von Kurz hätten viele Parteichefs in ganz Europa gerne: mit 37,5 Prozent und mehr als 16 Prozentpunkten Abstand zum Zweitgereihten aus drei Partnern für Zweierkoalitionen auswählen zu können. Unbestritten ist, dass der VP-Chef zu einer (gerade auch) international viel beachteten politischen Führungskraft geworden ist. Es habe sich für Kurz „ausgezahlt, bei der Migration unbequeme Positionen zu vertreten und die riskante Koalition mit der FPÖ einzugehen“, lobt ihn etwa der Chefredakteur der stets betont coolen Neuen Zürcher Zeitung. Und er fügt hinzu: „Niemand anderer außer ihm kann eine stabile, bürgerlich geprägte Koalition zusammenzimmern.“

Eine „stabile, bürgerlich geprägte Koalition“ – das dürfte in etwa dem entsprechen, was Kurz selbst mit „ordentliche Mitte-rechts-Politik“ umschrieben hat. Aber mit wem wird er das „zusammenzimmern“? Mit den Grünen, wie es derzeit aussieht? Es wäre für beide Seiten und deren zugehörige Bio- bzw. Soziotope eine Tour de Force. Helfen könnte indes auf grüner Seite das Wissen, dass die Möglichkeit zur Regierungsbeteiligung so schnell nicht wiederkommen könnte; beflügelt durch das Wahlergebnis haben Werner Kogler und die Seinen Blut geleckt. Und auf türkiser Seite die Einschätzung, dass ein solches Bündnis viel freundlichen Applaus im politmedialen (Parallel-)Universum, nicht zuletzt auch auf europäischer Ebene, bringen dürfte.

Jenseits von Stillstand und Irrlichtern

Ganz im Gegensatz zur Neuauflage von Türkis-Blau. Gegen diese Variante spricht nicht nur, dass die Blauen (scheinbar?) selbst nicht wirklich wollen; sondern auch, dass es mit der Partei in ihrer derzeitigen Verfassung deutlich schwieriger wäre als 2017. Ein neuerliches vorzeitiges Scheitern aber kann sich Kurz nicht leisten. Und Türkis-Rot wäre wohl stabil und professionell – aber halt ganz gegen die (an sich absolut richtige) Erzählung des Sebastian K. vom Ende Großer Koalitionen.

Wenn es dem Ex-Kanzler gelänge, eine Koalition im beschriebenen Sinne zu formen, wäre das von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Das europäische Umfeld ist so rosig nicht, dass man nicht froh sein müsste über jedes Beispiel funktionierenden Regierens – jenseits von Stillstand und Irrlichtern. Angesichts kommender Herausforderungen und Umbrüche, angesichts neuer Irrationalismen und erstarkender Ränder wird klare, berechenbare politische Führung unerlässlich sein.

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