Halb offener Umgang mit der Diagnose

„Ja, ich habe Krebs“: ein ungewöhnliches Bekenntnis in der heimischen Politik.
Martina Salomon

Martina Salomon

Ein ungewöhnliches Bekenntnis in der heimischen Politik.

von Dr. Martina Salomon

über Prammers Umgang mit ihrer Diagnose

Wäre Barbara Prammer ein ganz gewöhnliches Mitglied der österreichischen Spitzenpolitik, dann hätte sie ihre Krankheit verschwiegen. Niemandem wäre etwas aufgefallen. Eine Parlamentspräsidentin, die sich bei ein, zwei Sitzungen vertreten lässt, na und? Als oberösterreichische SPÖ-Spitzenkandidatin hätte sie sich bei der Wahl-Schlussveranstaltung wegen Grippe entschuldigen lassen können. Möglicherweise hätte sie nach der vollständigen Genesung ihre Krankheit öffentlich gemacht, bunte Blätter hätten erst dann über „Das Krebsdrama der Präsidentin“ geschrieben. Ein Teil dieser bunten Blätter hätte sie davor vielleicht sogar ein bisschen erpresst, mit der Geschichte herauszurücken, weil im geschwätzigen Wien ja bereits Indiskretionen kursiert wären.

Wäre Barbara Prammer aber eine amerikanische Spitzenpolitikerin, dann wüssten wir jetzt haargenau, an welchem Krebs sie leidet und wie die aktuelle Therapie aussieht. Es gäbe ein medizinisches Bulletin, eventuell sogar mit Röntgenbildern. Prammer hat sich für den Zwischenweg entschieden. Möglicherweise ist das Reden darüber ihre (übrigens eher weibliche als männliche) Art, mit dem Schock einer Krebsdiagnose umzugehen. Der (halb) offene Umgang ist prinzipiell positiv und ermutigend für andere, weniger prominente Betroffene, die Angst vor der Reaktion ihrer Umgebung haben. Krebs hat ja immer noch den Nimbus einer tödlichen Krankheit. Dass jemand weiterarbeitet, sich nicht versteckt, bringt Prammer sicherlich Sympathien.

Nebenbei bemerkt: Für medienverwöhnte Professoren (eher eine männliche als eine weibliche Spezies) ist so ein Outing einer öffentlichen Person auch nicht ganz unwillkommen. Das gibt gute Karten für das nächste Tauziehen um Stellenwert und Geld einer Abteilung. Auch in der Medizin gehört Klappern zum Geschäft.

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