Geld oder Leben, was zählt mehr?
Ein Kind zum Krüppel prügeln muss strenger bestraft werden als das gefinkeltste Vermögensdelikt
Auf den ersten Blick wirkt der Vorschlag der Justizexperten, als wollte man ausgerechnet die Wirtschaftskriminellen künftig mit Glacéhandschuhen angreifen: Die Strafen für Untreue und ähnliche Delikte sollen – sofern keine persönliche Bereicherung vorliegt – bis zu einem Schaden von fünf Millionen Euro von zehn auf maximal fünf Jahre Haft begrenzt werden. Aber dahinter steckt die seit ewigen Zeiten geforderte Beseitigung des Ungleichgewichts zwischen den Strafen für Vermögensdelikte und jenen für Attacken gegen Leib & Leben.
Dass jemand wegen noch so gefinkelter Malversationen Jahre ins Gefängnis geht, der Vergewaltiger einer 15-Jährigen aber keinen einzigen Tag absitzen muss, ist nur schwer auszuhalten. Und wie kann es sein, dass die "Entziehung von Energie" (Strom abzapfen) mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht ist, aber wer sein Kind zum Krüppel prügelt, höchstens fünf Jahre befürchten muss?
Die Experten hätten zwei Möglichkeiten zum Ausgleich gehabt: Die Strafen für körperliche und seelische Verletzungen zu erhöhen (was sie bei absichtlichen Verletzungen zum Teil ohnehin auch planen) oder jene für Vermögensdelikte zu senken. Wenn man weiß, dass hohe Haftstrafen so gut wie keine Abschreckung bringen, viel Geld kosten, dafür aber die Rückfallgefahr erhöhen, kann man den Vorschlag auf Reduktion einiger Strafrahmen nicht für unklug erachten.
Wobei die ganze Reform des Strafenkatalogs nichts bringt, wenn man nicht endlich das ungerechte Ost-West-Gefälle in den Griff bekommt. Es gilt zwar in Innsbruck das selbe Strafrecht wie in Wien, aber wer in Innsbruck vor Gericht steht, hat signifikant bessere Chancen auf eine mildere bzw. bedingte Strafe.
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