Eine Abkehr vom Provinzialismus
Wo bleiben Visionen, statt andauernd im eigenen Saft zu schmoren?
In Österreich gibt es wunderschöne Provinzen, Regionen genannt, auf die man stolz sein kann – sofern der Begriff des Stolzes auf Berge, Seen, Hügellandschaften überhaupt anwendbar ist. Stolz passt ja viel besser zu kulturellen Errungenschaften, aber das nur nebenbei.
Wenn also im Folgenden von Provinz die Rede ist, dann nicht von einem geografischen Begriff, nicht von einer herabwürdigenden Bezeichnung im Sinne fehlender Urbanität. In Wien etwa findet sich bekanntlich zumindest so viel Provinz wie in vielen Dörfern.
Provinz – damit ist hier eine Geisteshaltung gemeint, eine Engstirnigkeit, Behäbigkeit und Selbstherrlichkeit, gegen die anzukämpfen der lohnendste Vorsatz wäre.
Zunächst in der Politik, wobei auch hier keine einzelne Partei gemeint ist, sondern eine Attitüde. Die Innenpolitik ist allzu oft getrieben von Reflexen, vom Bedürfnis, dem Boulevard und damit (vermeintlich) auch der breiten Öffentlichkeit gefallen zu wollen, von Vorurteilen und Klischees. Auf der einen Seite geht es primär ums Bewahren und ums Verhindern, auf der anderen ums Erregen öffentlichen Ärgernisses, ums Schüren von Ängsten, um den Aufruf zur Abgrenzung. Provinzialismus und Xenophobie sind hier gefährliche Nachbarn.
Wo bleiben Visionen, statt andauernd im eigenen Saft zu schmoren? Hätte man nicht jetzt, da diese Regierung von allen Seiten bereits als die letzte ihrer Art bezeichnet wird, die Chance, Reformen zumindest zu initiieren? Leider ist die Schlagzeile von morgen näher als eine Entwicklung, die erst übermorgen sichtbar wird.
Das bedeutet freilich nicht, dass es nicht auch sehr gute österreichische Politiker gäbe. Aber in diesem Umfeld, das auch viele Medien mitverantworten, ist politisches Kleingeld wichtiger als Zukunftskapital.
Zuschauen und nörgeln
Auf Provinzialismus pur werden wir im Mai bei der EU-Wahl stoßen, wenn uns von manchen Seiten wieder die überproportionale Bedeutung Österreichs in Europa suggeriert wird und die Annahme, die EU brauche Österreich dringender als umgekehrt. Symptomatisch wird hingegen die Fußball-WM in Brasilien: Da kann Österreich entspannt (weil teilnahmslos) zuschauen, wie die internationale Entwicklung vorbeizieht. Ein bissl nörgeln, manches bewundern, aus der Entfernung vieles besser wissen, ohne eine gestaltende Rolle zu spielen.
Provinzialismus ist immer wieder auch auf dem Küniglberg zu beobachten. Dass heuer bei der Übertragung des Neujahrskonzertes allen Ernstes zwei „Dancing Stars“ tanzen, ist als Signal der Inbegriff an Provinzialität. Eine absurde Symbiose aus Qualität und Quatsch.
Aber auch im Kulturbereich, einer der wenigen, um den Österreich in der Welt beneidet wird, gibt es immer wieder Tendenzen zur Selbstgenügsamkeit und zum Verschlafen internationaler Entwicklungen.
2014 wäre es also zumindest einen Versuch wert: Raus aus der Lethargie, Öffnung der inneren Grenzen, Überschreiten der selbstgesteckten Limits. Provinz kann so schön sein. Provinzialismus ist es nie.
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