Die ÖVP sucht wieder mal Profil und Wähler
Schon vor 40 Jahren scheiterte ein ÖVP-Chef an den Strukturen der Partei. Jetzt kommt ein letzter Versuch
Wer hätte das gedacht? Die österreichische Innenpolitik birgt noch Überraschungen. Und ausgerechnet die ÖVP sorgt dafür. Dass ein Parteiobmann entnervt hinwirft ist nichts Neues. Aber dass sich anschließend nicht die älteren Herrn durchsetzten, die ein paar Tage diskutieren wollten, um dem neuen Parteichef jeden Spielraum zu nehmen, ist doch ungewöhnlich. Und dann besteht Reinhold Mitterlehner auch noch auf neue Leute, die als Unternehmer unabhängig sind und sich nicht vor den Mächtigen in der Partei fürchten müssen. Nicht schlecht für den Anfang.
Ein Finanzminister Hans-Jörg Schelling und ein Staatssekretär Harald Mahrer widerlegen auch die Erfahrung, dass sich Unternehmer kein politisches Amt antun wollen. Intern wird schon gewitzelt, dass beide Herrn einen gesteigerten Drang zur Selbstdarstellung haben. Aber beide haben auch bewiesen, dass sie politische Vorstellungen haben, für die sie zu kämpfen bereit sind. Schelling weiß aus der Sozialversicherung, dass unübersichtliche Apparate auch sparsamer zu führen sind und Mahrer glaubt – noch – daran, dass er die ÖVP zu einer liberalen, weltoffenen Partei verändern kann.
Damit sind wir beim entscheidenden Punkt dieser Entwicklungen der letzte Tage. Die alte Bünde-ÖVP mit Machtkonzentrationen in einigen Bundesländern, an der so viele gescheitert sind und die auch Josef Taus beklagt, ist entscheidend geschwächt. Mit Sophie Karmasin und Wolfgang Brandstetter sind zwei weitere Selbstständige in der Regierung, die nicht von Partei-Lobbys steuerbar sind und in der Familien-und Justizpolitik liberale Standpunkte vertreten. Und an der Spitze der ÖVP steht mit Mitterlehner ein Mann, der ein verhandlungssicherer Pragmatiker ist.
Der Untergang der Wiener ÖVP
In den Umfragen ist die ÖVP zuletzt unter die 20-Prozentmarke gesunken. Der Bauernbund funktioniert ja noch als Organisation, er sorgt für Zusammenhalt, aber auch für Weiterbildung. Im Wirtschaftsbund fühlen sich viele neue Selbstständige nicht zu Hause. Und die Mehrheit der Beamten fühlt sich zwar bei der schwarzen Gewerkschaft gut aufgehoben. Ob diejenigen, die Neugebauers Kampfgeist schätzen dann auch alle ÖVP wählen, ist zweifelhaft. Aber entscheidend für das seit Jahrzehnten andauernde Schrumpfen der ÖVP ist die unglaubliche Schwäche in Städten, vor allem in Wien.
CDU und CSU sind in Deutschland noch immer Volksparteien, weil sie in den Städten erfolgreich sind. In Wien, wo die ÖVP traditionell rund ein Drittel der Stimmen bekommen und mit Erhard Busek auch Stadtpolitik gemacht hat, müssen die Schwarzen inzwischen auf ein knapp zweistelliges Ergebnis hoffen. Auch in den sogenannten bürgerlichen Bezirken wurden sie zuletzt von Grünen und Neos überholt.
Jede Partei, auch die Grünen, beschäftigt sich mehr mit sich als mit den Herausforderungen unserer sich so schnell verändernden Gesellschaft. Die ÖVP hat jetzt einige Regierungsmitglieder, die keine sturen Ideologen, sondern erfahrene Praktiker sind. Das ist zumindest eine Chance, dass nach einem verlorenen Jahr vielleicht doch noch ein paar Projekte, von der Steuerreform bis zur Bildung, umgesetzt werden. Die ÖVP kann nur über praktische Ergebnisse Profil und Wähler gewinnen.
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