Der schwierige Weg zum Säulenheiligen

Oskar Werner und Thomas Bernhard: Zwei Beispiele für den seltsamen Umgang mit großen Künstlern.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Manche Staatsfeinde von einst sind längst die Kultur-Heiligen.

von Gert Korentschnig

über Thomas Bernhard und Oskar Werner

In einem Lied von Hans von Frankowski (Text: Karl Leibinger) heißt es: „Ich brauch’ kan Pflanz, i brauch’ kan Glanz, i brauch’ ka schöne Leich; ich komm’ auch ohne Kranz genauso gut ins Himmelreich.“ Auch Oskar Werner, der größte österreichische Schauspieler des 20. Jahrhunderts, hat dieses Wienerlied gesungen. Ihm war es wichtig, in einem kleinen Dorf in Liechtenstein begraben zu werden und nicht in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof. Dass er 27 Jahre nach seinem Tod exhumiert und verbrannt werden sollte, wäre ihm selbst zeitlebens vielleicht egal gewesen. Dass er aber so im hintersten Winkel des Friedhofs von Triesen die letzte Ruhe fand, ist alles andere als würdevoll und grenzt an einen Skandal.

Thomas Bernhard wurde ebenfalls nicht auf dem Zentralfriedhof, inmitten der größten österreichischen Künstler, begraben. Er liegt in Grinzing. Die Öffentlichkeit sollte im Februar 1989 erst nach der Beerdigung von seinem Tod erfahren. Das klappte nicht. Zu präsent war der Autor nach der Uraufführung von „Heldenplatz“ in den Medien. Diese jährt sich am Montag zum 25. Mal. Es war der letzte riesige Theateraufreger dieses Landes.

Wenn man heute die Berichte von damals liest, ist man immer noch fassungslos. Alle Zeitungen – auch diese – taten sich schwer damit. „ Österreich, 6,5 Millionen Debile“, zündelte etwa die Krone mit einem aus dem Zusammenhang gerissenen Bernhard-Zitat. Die Zeitung empörte sich darüber, dass der „Steuerzahler für diese Österreich-Besudelung auch noch bezahlen“ müsse.

„Hinaus mit diesem Schuft“

Politiker aller Couleurs sonderten Seltsamkeiten ab. „Hinaus mit diesem Schuft aus Wien“ (Jörg Haider zitierte Karl Kraus) konnte man ebenso hören wie „Das darf man sich nicht gefallen lassen“ (Bruno Kreisky). Nur die damalige Ministerin Hilde Hawlicek ermunterte Burgtheaterchef Claus Peymann zum Durchhalten.

Vor dem Theater wurde Mist abgelagert, es gab Proteste für die Aufführung, solche dagegen und auch welche gegen die Proteste. Die Premiere war restlos ausverkauft und für den Großteil des Publikums ein Erfolg.

Das Stück über einen jüdischen Mathematik-Professor, der sich 1988, 50 Jahre nach der Machtergreifung Hitlers in Österreich, aus dem Fenster seiner Wohnung auf den Heldenplatz stürzt, wurde zu einem der größten Burgtheater-Erfolge und 120-mal gespielt.

Was uns das 25 Jahre später sagt? In der positivsten Interpretation, dass Theater die Menschen in Österreich bewegen kann wie kaum in einem anderen Land. Bei realistischer Betrachtung, dass diese theaternarrische Nation alles andere als einen entspannten Umgang mit ihren Künstlern hat. Diese werden meist erst nach ihrem Tod, wenn sie nichts mehr anrichten können, gewürdigt.

Bei kritischer Analyse kommt man allerdings auch zum Schluss, wie stark dieses Land von der publizierten Meinung beeinflusst war bzw. ist und wie sehr die Politik bis heute der Anerkennung des Boulevards hinterherhechelt. Dabei ist offenkundig, wie oft dieser irrt. Manche Staatsfeinde von einst sind längst die Kultur-Heiligen.

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