Bittere Wahrheiten beenden Illusionen

Euro-Krise wurde durch falsche Maßnahmen zur längst nicht ausgestandenen sozialen Krise Europas.
Peter Rabl

Peter Rabl

Die konkreten Folgen der bisherigen Sanierungspolitik sind längst unübersehbar.

von Peter Rabl

über Europas soziale Krise

Tu felix Austria. Politische Platzpatronen, argumentative Blendgranaten, verbale Plastikschwerter. Österreichs Politik und Medien sind voll mit der Volksbefragung über das Heer beschäftigt. Während wir diese "Schlammschlacht" (so ausgerechnet die Kronenzeitung) schlagen, läuft international die Debatte über die immer schlimmere soziale Krise Europas und deren Ursachen in verfehlten Rezepten bei der Bekämpfung der Euro-Krise.

Die konkreten Folgen der bisherigen Sanierungspolitik sind längst unübersehbar. Explodierende Arbeitslosigkeit in Spanien, Griechenland und Portugal mit mehr als 25 Prozent, bei den Jugendlichen mehr als der Hälfte. Rasante Verarmung und rapides Schrumpfen der Wirtschaftsleistung infolge der aufgezwungenen Sparprogramme als Gegenleistung zu Milliarden-Hilfen, die vorwiegend der Bankenrettung dienten.

Jetzt kommt heraus, dass die theoretische Begründung dieser Sparpolitik schlicht falsch ist. Kein Zeuge dafür kann unverdächtiger sein als der Internationale Währungsfonds, der seit Jahrzehnten Staaten von Argentinien bis Griechenland seinem Spardiktat unterwarf.

Der IWF habe sich systematisch bei den Folgen seiner Sparprogramme verrechnet und deshalb der Politik falsche Vorschläge gemacht, gesteht unter anderem sein Chefökonom: „Die Voraussagen unterschätzten deutlich den Anstieg der Arbeitslosigkeit und das Schrumpfen des Privatkonsums und der Investitionen in Folge der Budgetsanierungen.“

Euro-Krise ist nicht überstanden

Entsprechende Selbstkritik übte dieser Tage denn auch der scheidende Euro-Gruppenchef Juncker: „Wir unterschätzen die riesige Tragödie der Arbeitslosigkeit, die uns letztlich erdrückt“, erklärte dieser Europameister der klaren Aussagen: Die soziale Dimension sei bisher „Stiefkind“ der Währungsunion.

Juncker warnt auch davor, „der Öffentlichkeit und den Parlamenten“ den Eindruck zu vermitteln , „dass alle Schwierigkeiten hinter uns liegen“. Die Euro-Krise sei nicht überstanden, wie es Finanzministerin Fekter und ihre Kollegen in Berlin und Paris schon behaupten.

Von der sozialen Krise und drohenden politischen Folgen ganz zu schweigen. Noch beschränkt sich der Widerstand der betroffenen Bürger auf so pfiffige Aktionen wie die der spanischen Schlosser. Sie weigern sich ab sofort, für die Polizei die Schlösser von Wohnungen zu knacken, deren überschuldete Bewohner zu Zehntausenden hinausgeworfen werden sollen.

Aber der soziale und politische Sprengstoff von Millionen jungen Arbeitslosen einer verlorenen Generation birgt wesentlich größere Risiken. Die politische Antwort der europäischen Politik darauf steht noch aus. Sie kann nur in nachhaltiger Wirtschaftshilfe an die Krisenstaaten münden, die tatsächlich bei den Bürgern ankommt.

Sonst kommen nicht nur einem Skeptiker wie Juncker so düsteren Ahnungen: „Das Jahr 2013 könnte ein Vorkriegsjahr werden wie das Jahr 1913, wo alle Menschen an Frieden glaubten, bevor der Krieg kam.“

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