Kunst und Kultur sind mehr als Unterhaltung

Die Künstler von heute spüren die Entwicklungen von morgen. Wenn wir das zulassen und auch richtig fördern.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Das Loos-Haus war für Kaiser Franz Joseph ein Ärgernis

von Dr. Helmut Brandstätter

über die Künstler von heute

"Der Künstler ist immer vollkommen in die Gesellschaft integriert. Aber nicht in die Gesellschaft seiner Zeit, sondern in jene der Zukunft." Der nicaraguanische katholische Priester und sozialistische Politiker Ernesto Cardenal drückt damit ganz einfach aus, was die Rolle der Kunst in einer Gesellschaft ist: Das Gegenwärtige kritisch beobachten und in die Zukunft vorausdenken. Künstler sind eine Avantgarde, die von der Mehrheit einer Bevölkerung nicht immer verstanden werden kann, aber das ist ihre Aufgabe. Das Loos-Haus am Michaelerplatz , heute ein Juwel der Stadt, war für Kaiser Franz Joseph und alle anderen Wiener ein Ärgernis. Umgekehrt wird nicht alles, was wir heute hässlich finden, einmal als große Kunst gefeiert werden.

Wenn der KURIER heute Abend in einer großen Gala Fernseh- und Filmemacher auszeichnet, werden dabei viele Unterhaltungskünstler sein. Aber auch die leichte Muse ist immer ein Spiegelbild der Gesellschaft, und mit André Heller wird ein Mann für sein Lebenswerk geehrt, der oft genug auch verstört hat. Mit dem neuen Pop-Sender Ö3 haben Heller und andere Musik gespielt und Texte verfasst, die damals für viele unerhört klangen, und sie haben Themen in den öffentlichen Diskurs gebracht, die tabuisiert waren. Ö3 hat zum Erfolg der SPÖ mit Bruno Kreisky im März 1970 mehr beigetragen als so manches Wahlplakat.

Unangepasst und innovativ

Schon zuvor, im Jahr 1961, nahmen Helmut Qualtinger und Carl Merz, übrigens beide KURIER-Autoren, durch die Ausstrahlung ihres "Herrn Karl" eine Debatte vorweg, die in Österreich erst im Zuge der Waldheim-Affäre ausführlich diskutiert wurde: Die Rolle der Mitläufer und Opportunisten, die sich bei den Sozialisten, den Austrofaschisten und den Nazis gleichermaßen wohlfühlten. Peter Turrini stellte mit der "Alpensaga" den Heimatfilm auf den Kopf, Felix Mitterer nahm mit der "Piefke-Saga" Probleme des Massentourismus vorweg, und im "Kaisermühlen Blues" zeigte Ernst Hinterberger unter anderem die Herausforderungen eines Arbeiterviertels durch den Zuzug von Ausländern. Heute sind es leider überwiegend die viel gescholtenen Amerikaner, die mit Serien aktuelle Themen aufgreifen – von " Breaking Bad", wo ein Chemielehrer zum Drogenproduzenten wird, bis zum Politthriller "House of Cards".

US-Künstler haben einen riesigen Markt, österreichische sind auch auf Subventionen angewiesen. Da wird schnell das Schimpfwort vom "Staatskünstler" ausgepackt. Dabei sieht etwa das Bundestheatergesetz einen kulturpolitischen Auftrag vor, der die "Förderung des Zeitgenössischen" und ein "innovatives und pluralistisches Angebot" verlangt. Künstler müssen subventioniert werden, gerade, wenn sie der Politik mit ihren Arbeiten auf die Nerven gehen. Diktatoren schmücken sich gerne mit Künstlern, was auch immer peinlich wirkt. "Wir müssen unangepasst und innovativ sein", hat der Schauspieler August Schmölzer bei der Akademie-ROMY verlangt. Davon profitiert die ganze Gesellschaft.

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