Heilige Kühe sind nichts mehr wert
Die Politik kann nicht wissen, wie viele Akademiker in zehn Jahren benötigt werden.
Mit der Universitätsreform von 1972 ermöglichte die SPÖ unter Kanzler Bruno Kreisky und Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg allen Studierenden den gebührenfreien Zugang zu allen Universitäten und Kunsthochschulen. Es war, neben Gratis-Schulbüchern und -Schulfreifahrt, ein politischer Meilenstein, auf den Sozialdemokraten bis heute stolz sind.
Stolz waren, besser gesagt. Oder noch besser: Schon seit den 1990er-Jahren eigentlich nicht mehr stolz sein konnten. Denn die Idee dahinter, Bildung als Menschenrecht und für alle, unabhängig ihrer sozialen Herkunft, frei zugänglich, hat ja so nie stattgefunden. Rund zwei Prozent der Arbeiterkinder begannen in den 1970ern ein Studium. Heute sind es nur wenig mehr.
Die ÖVP will der SPÖ seit Jahrzehnten das Festhalten am freien Hochschulzugang ausreden, jetzt ist es so weit. Klanglos wird demnächst die Studienplatzfinanzierung eingeführt, die Studienplätze limitiert, dafür wird eine bessere Studienqualität ins Blaue versprochen. Studierende aus bildungsfernen Schichten werden es dann noch schwerer haben, befürchten die Studenten zu Recht – beim Medizin-Studium ist das passiert (siehe hier).
Das ist aber gar nicht das größte Problem. Die Unis sollen künftig – in Absprache mit der Politik – festlegen, wie viele Anfängerplätze angeboten werden sollen. Da den Unis erlaubt werden soll, wenn sie wollen , für alle Studien Limits einzuziehen, werden sie das auch machen.
Fünfjahresplan
Woher wollen aber die Unis, geschweige denn die Politik, wissen, wie viele Akademiker eines speziellen Fachs in Österreich in fünf oder zehn Jahren benötigt werden? Sie können es nicht wissen. Könnten sie es, hätte die Sowjetunion mit ihren Fünfjahresplänen den Kalten Krieg gewonnen. Hat sie aber nicht, sondern der Westen, bei dem der freie Markt entscheidet.
Dabei sei auch an Ex-Bildungsministerin Elisabeth Gehrer erinnert, die Ende der 1990er-Jahre in einem Brief allen Maturanten von einer Lehrerausbildung abriet. Heute haben wir bereits einen Lehrer-Mangel, der sich noch verschärfen dürfte. Erinnert sei auch an Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der sich über die Sinnhaftigkeit von "Orchideen-Studien" wie Orientalistik mokierte, wenige Monate vor den Anschlägen am 11. September 2001. Und nicht zuletzt erneut ans Medizin-Studium, wo die Studienplätze seit zehn Jahren limitiert sind, und die Politik grundsätzlich EU-rechtswidrige "Österreicher-Quoten" einführen musste, damit unsere Gesundheitsversorgung nicht zusammenbricht.
Und wer den Blick über den Schnitzeltellerrand wagt, muss feststellen, dass Österreich im Vergleich der Hochschul-Abschlüsse nur auf Rang 18 unter den 28 EU-Staaten rangiert. Es bleibt also nur zu hoffen, doch noch üppige Bodenschätze in Österreich zu finden, damit wir unseren Wohlstand bewahren können. So lange das nicht passiert, muss der Staat die Universitäten ausreichend finanzieren.
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