Handy abhören, ja! Daten anzapfen, nein?

Der deutsche Staat darf im Verdachtsfall auch im Internet mitlesen. Bei uns verkommt das zur Wahlkampf-Posse.
Josef Votzi

Josef Votzi

Der deutsche Staat darf im Verdachtsfall am Handy mitlesen. Bei uns verkommt das zur Wahlkampf-Posse.

von Josef Votzi

über schärfere Internet-Waffen für die Polizei

"Gepriesen sei Gott. Ich bin jetzt in der Karre, verstehst du? Bete für mich Bruder!" Das war die letzte Nachricht, die Anis Amri absetzte, bevor er vier Tage vor dem Heiligen Abend am Berliner Weihnachtsmarkt elf Menschen tötete und Dutzende schwer verletzte. Dass die Polizei diese Botschaft erst im Nachhinein rekonstruieren konnte, sorgte zu Recht für Empörung. Fast ein Jahrzehnt wurde davor ergebnislos über schärfere Waffen der Behörden für die Internetüberwachung diskutiert.

Der tragische Fall Amri brach die letzten politischen Widerstände. Der deutsche Staat darf seit Sommer im Verdachtsfall am Handy und Computer live mitlesen.

Österreich ist ein Terror-Anschlag bisher erspart geblieben. Im Windschatten des Berlin-Attentats schnürte Rot-Schwarz auch hierzulande ein "Sicherheitspaket" für den (im Jänner per Unterschrift aller Regierungsmitglieder paktierten) Neustart. Handy-Gespräche dürfen nach grünem Licht durch die Justiz schon lange von der Polizei angezapft werden. Bei rechtsstaatlicher Absicherung spricht alles dafür, auch den verschlüsselten Datenaustausch von Kriminellen überwachen zu dürfen. Seit März liegt ein Gesetzesvorschlag auf dem Tisch. Knapp fünf Wochen vor der Wahl wird die sensible Causa zum Spielball im Wahlkampf. Letzte technische Hürden werden als Barrikaden missbraucht. Justizminister Brandstetter macht an einem vergleichsweise harmlosen Beispiel plastisch, wem das allein nützt. Der des vielfachen Missbrauchs verdächtige Peter Seisenbacher kommunizierte monatelang unentdeckt via WhatsApp, das heimische Behörden nach wie vor nicht knacken dürfen. Er geriet erst erfolgreich ins Visier der Polizei, als er Kontakt zu seiner betagten Mutter suchte – mit dem guten, alten überwachbaren Handy.

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