Gemeinsame Chance für die Koalition
Mit etwas Vernunft können Regierungsparteien mit Wohnungspolitik getrennt marschierend gewinnen
Eindeutiger kann man einen Frühstart im Wahlkampf nicht organisieren. Binnen zwei Stunden legten am Dienstag die beiden Regierungsparteien getrennt ihre Pläne für die Sanierung der akuten Wohnungskrise vor. Aber bei allen Gegensätzen bietet sich für die Koalition eine Chance, in einem kontrollierten Wettstreit gemeinsam Erfolg zu haben.
Im Grundsatz herrscht Einigkeit, dass die zuletzt exorbitanten Steigerungen bei den Wohnkosten gebremst werden müssen. Auch über das wichtigste und wirksamste Mittel dafür herrscht Einvernehmen: Es müssen rasch wieder wesentlich mehr Sozialwohnungen gebaut werden. Mit den beiderseits angepeilten zusätzlichen 10.000 ist man ohnehin eher an der Untergrenze der Notwendigkeiten.
Die beiden Kataloge der Maßnahmen lassen sich an dieser Stelle nicht im Detail vergleichen. Offensichtlich aber gibt es ausreichende Schnittmengen für eine Wohnbau-Initiative der Koalition noch vor dem Sommer. Bleibt immer noch genug an Unterschieden für eine mittelfristig nötige große Lösung, mit denen beide Parteien dann im Wahlkampf getrennt marschierend ihr Glück bei den Wählern suchen können.
Mehrheit der Koalition unsicher
Ein halbes Jahr vor der Nationalratswahl treibt die Strategen der Regierungsparteien die Frage um, wie man das Wachstum im Lager der Protestwähler einbremsen und damit eine gemeinsame Mehrheit erhalten kann.
Nach den aktuellen Umfragen würde es bei den Wählerstimmen ziemlich sicher reichen. Aber für eine stabile Regierung bräuchten die beiden Parteien schon einige Mandate über den Durst. Eine knappe Mehrheit bei den Parlamentssitzen würde angesichts der üblich gewordenen Abweichler und Parteiwechsler zur Zitterpartie.
Mit einem einigermaßen attraktiven Maßnahmenpaket zur Wohnungskrise könnte die Regierung jetzt gegen die berechtigten Zweifel an ihrer politischen Handlungsbereitschaft und Tatkraft antreten. Und damit wenigstens einen Teil der Proteststimmung dämpfen, die Hunderttausende zu den Populisten aller Schattierungen oder ins Lager der Nichtwähler vertreibt.
Bei aller Kritik an den echten Versäumnissen und taktischen Fehlern dieser Koalition in vergangenen Jahren zeichnet sich keine Chance für eine vernünftige Alternative ab. Ein durchaus solider Wechsel zu Rot-Grün liegt weit außer der politischen Reichweite. Die gruselige Variante Schwarz-Blau eignet sich bestenfalls für eine inzwischen reichlich abgedroschene Angstmache.
Und Dreier-Koalitionen jeglicher Kombination wären nahe der politischen Perversion oder zumindest kaum auf Dauer regierungsfähig. Letzteres gilt wohl für den gelegentlich diskutierten rot-schwarz-grünen Dreier, der für die Volkspartei zum strategischen und politischen Harakiri zu werden drohte.
Die anhaltende internationale Krise und der Erhalt der immer noch sehr guten Lage Österreichs verlangen nach einer stabilen Regierung. Ihre Legitimation könnte die Koalition jetzt ganz konkret beweisen.
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