Gefesselte Koalition mit entfesselten Chefs

Die Parteiobmänner feilen an ihrem Profil. Hätten sie auch Handlungsfähigkeit, könnte man applaudieren.
Martina Salomon

Martina Salomon

Hätten sie auch Handlungsfähigkeit, könnte man applaudieren.

von Dr. Martina Salomon

über die gefesselte Koalition

Nur drei Stunden wird der ÖVP-Parteitag heute, Samstag, dauern. Früher nahm man sich dafür bis zu zwei Tage Zeit. Ein Tribut an die Mediengesellschaft: Inszenierung ist alles, mühsame Debatten über die Partei-"Evolution" bergen das Risiko negativer Schlagzeilen. So kann sich Reinhold Mitterlehner als Phönix aus der Asche präsentieren. Moderner (er twittert schon), liberaler (was immer das heißen mag), überzeugender. Die Partei ist – vorübergehend? – geeint.

Auch Werner Faymann schärft vor dem SPÖ-Parteitag sein Profil und präsentiert sich als gut vernetzter Sozialdemokrat, der mit seinen deutschen Parteikollegen über ein besseres Europa parliert. Das beruhigt Gewerkschafter und Partei-Linke, die ihm Ende November eine Schlappe bei seiner Obmann-Wiederwahl verpassen könnten. Mittlerweile zucken sie wieder zurück. Denn eine Schwächung des Chefs würde auch die Partei beschädigen. Es gibt daher nur zwei Alternativen: Loyalität nach außen oder blitzschnell den Obmann auswechseln. Letzteres geschieht am besten vor der Nationalratswahl. Mit einem angeschlagenen Spitzenkandidaten in die Wahl zu ziehen – solche Dummheiten macht nur die ÖVP.

Match um die außenpolitische Kompetenz

Faymanns Spin-Doktoren haben ihm offenbar geraten, das außenpolitische Feld nicht kampflos dem schwarzen Shootingstar Sebastian Kurz zu überlassen. Der Kanzler hat im Gepäck Nachrichten, die die Leute gerne hören: mehr Geld für Umverteilung, mehr Schulden. Das alte rote Rezept ist in einer Zeit, in der Konzerne als Feindbilder gelten und sich viele Bürger (zu Recht) ausgesackelt fühlen, besser vermarktbar als Budgetkonsolidierung und Wirtschaftsentfesselung.

Entfesselt wirkt bisher aber ohnehin "nur" der neue ÖVP-Chef. Das erzeugt Rückenwind für seine Partei. Mitterlehner ist im (Minen-)Feld der Wissenschaftspolitik erstaunlich gut gelandet. Glück hat er auch: Denn die Neos haben Angst vor echten wirtschaftsliberalen Positionen und verstricken sich in entbehrliche Diskussionen, statt die modernere Volkspartei zu sein.

Trotz – scheinbar – entspannterer Stimmung bleibt die Schnittmenge der Gemeinsamkeiten zwischen den Koalitionsparteien dennoch beängstigend klein. Nirgendwo herrscht Konsens: Vermögenssteuern, Zumutbarkeitsbestimmungen für die Job-Annahme durch Arbeitslose, Mietrechtsreform, Sparen (bei den Bauern oder bei den ÖBB?) oder nicht vorhandenes Geld ausgeben (Negativsteuer für Leute, die keine Lohnsteuer zahlen versus Entlastung für Familien). Das sind schlechte Voraussetzungen, um das Land zukunftstauglich zu machen. Und so treibt das Schiff Österreich irgendwie dahin, obwohl am Horizont längst spitze Klippen aufgetaucht sind. Das kann nicht gut ausgehen.

Noch sind Kanzler und Vizekanzler auf ihre Parteitage konzentriert. Dort werden sie wohl respektable Ergebnisse einfahren. Es sei ihnen vergönnt. Aber das Eis, auf dem sich diese Regierung bewegt, ist dünner denn je.  

Kommentare