Krise durch multiples Organversagen

Drohende Pleite Zyperns und deren weithin ratlose Bekämpfung hat viele Ursachen und Verantwortliche.
Peter Rabl

Peter Rabl

Viel zu lang haben diese EU-Organe bei der Bekämpfung der Finanzkrise die Großbanken verschont.

von Peter Rabl

über die Zypern-Pleite

Es ist schon sträflich genug, das berühmte Gesetz zu negieren, wonach irgendwann schiefgehen wird, was schiefgehen kann. Viel schlimmer noch ist es aber wegzuschauen, wenn etwas einfach schiefgehen muss. Dass Zyperns Versuch, mit ausländischen Schwarz- und Spekulations-Milliarden und mit Niedrigst-Steuern angelocktem Kapital ein langfristig erfolgreiches „Geschäftsmodell“ zu betreiben, nicht funktionieren kann, war spätestens seit der Finanzkrise 2008 offensichtlich. Dass sich das jetzt zur Existenzkrise des Kleinstaates verdichtet hat, ist Folge eines kollektiven Versagens vieler Institutionen.

In der Medizin nennt man so etwas multiples Organversagen. Und das endet üblicherweise tödlich.

Viel zu lange haben Mitgliedsstaaten und Organe der EU weggeschaut, wie da mitten im eigenen Lager eine teilweise kriminelle Steuer- und Fluchtgeld-Oase betrieben wurde. Viel zu lang haben diese EU-Organe bei der Bekämpfung der Finanzkrise die Großbanken verschont und ihre Verluste aus spekulativen Anlagen den Steuerzahlern aufgebürdet. Haben wegen angeblicher „Systemrelevanz“ viel zu viele Banken aufgefangen, statt sie und ihre Eigentümer ihrem wirtschaftlichen Schicksal zu überlassen.

Um schließlich beim ersten Schuldenschnitt zulasten der Gläubiger Griechenlands die tatsächlich verheerenden Folgen für zypriotische Banken zu negieren und deren Rettung dem bis dahin relativ solide dastehenden zypriotischen Staat allein zu überlassen.

Zypern ist objektiv pleite

Zyperns Staatsdefizite steigen und die Schulden schnellen auf nicht mehr finanzierbare Höhen, die Wirtschaft schrumpft und der weitaus wichtigste Sektor Finanzwirtschaft implodiert. Objektiv ist Zypern heute pleite. Die Rettungsversuche kaufen einmal mehr nur Zeit.

Wie immer das am Wochenende ausgeht. Schweren Schaden weit über Zypern hinaus hat das Versagen der Euro-Finanzminister angerichtet. Deren ursprüngliche Zustimmung zu einer Zwangsabgabe zulasten aller Sparkonten, auch der angeblich durch Einlagensicherung geschützten bis 100.000 Euro, haben dauerhaft europäisches Grundvertrauen erschüttert. Fast 50 Prozent der Deutschen haben heute Angst um ihre Ersparnisse, vor einem halben Jahr waren es noch unter 40 Prozent.

Niemand kann heute abschätzen, ob die angepeilten Maßnahmen ausreichen und wie sie langfristig wirken werden: Bis zu 20 Prozent Abschöpfung bei den insgesamt 38 Milliarden schweren großen Einlagen über 100.000 Euro; totale Kontrolle des zypriotischen Kapitalverkehrs gegen einen Bankenrun der Einheimischen und die Kapitalflucht der Ausländer; Stopp der ungehemmten Geldschöpfung durch die zypriotischen Zentralbank zulasten aller Euro-Staaten.

Europäische Notoperationen mit bisher nicht bekannten Methoden , die nicht nur von den Kapitalmärkten kritisch beobachtet werden. Jetzt stehen das Vertrauen der europäischen Bürger und die Geduld der Steuerzahler infrage. Schicksalstage für Europa.

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