Einst mächtige Partei – zerfallen in Partien

Knapp vor der Hofburg-Wahl reicht die Kraft der Wiener SPÖ nur noch für die Vertagung der Selbstzerfleischung.
Josef Votzi

Josef Votzi

Im Herbst 2015 machte die Wiener SPÖ noch einmal gegen ihren Lieblingsgegner mobil: "Wer die FPÖ verhindern will, muss SPÖ wählen." Mit 39,5 zu 31 Prozent der Stimmen hielt Michael Häupl den blauen Herausforderer noch einmal klar auf Distanz. Ein Ergebnis, das in seiner Deutlichkeit Freund und Feind überraschte. Denn die Wahl ging Anfang Oktober 2015 über die Bühne – kurz nach dem ersten Höhepunkt der europaweiten Flüchtlingskrise, als Zehntausende Menschen unaufhaltbar und unkontrolliert quer durch Österreich zuvorderst Richtung Deutschland zogen.

Ein Jahr danach klopft die FPÖ am Tor der Hofburg. Heinz-Christian Strache hatte 2015 weitaus schlechtere Karten als Norbert Hofer für den kommenden 4. Dezember. Die Wiener SPÖ hat heute aber andere Sorgen als sich noch einmal gegen die blaue Machtübernahme zu stellen. Wer auch immer nach Michael Häupl Partei- und Rathausführung übernimmt, steht vor einer Herkulesaufgabe: Die einst mächtige Partei ist in feindselige Partien zerfallen, die heute nicht einmal durch einen vielleicht bald noch mächtigeren Außenfeind zusammengehalten werden.

So weit hat der Zusammenhalt und die gemeinsame politische Vernunft gerade noch gereicht: Der Showdown zwischen den Grün-affinen Roten in vielen kleineren Bezirken und den Richtung Blau blinkenden Genossen in den paar großen Flächenbezirken wird angesichts des nahenden Wahltermins für die Bundespräsidentenwahl am 4. Dezember noch einmal vertagt. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, der Tabubruch bleibt: In der Wiener SPÖ, bis vor Kurzem noch letzte rote Trutzburg mit Kreml-Qualitäten, wird um Posten und Kurs gestritten – wie einst bei den verhassten Blauen in Knittelfeld.

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