Eine Partei zwischen "Gewitterfronten"

Der WWF kann demnächst einen neuen Namen auf die Liste aussterbender Arten setzen: die Wiener ÖVP.
Martina Salomon

Martina Salomon

In der nächsten Legislaturperiode wird es voraussichtlich keine ernsthafte bürgerliche Kraft mehr in Wien geben.

von Dr. Martina Salomon

Martina Salomon über die Wiener ÖVP

Gut möglich, dass man nach der Wien-Wahl mehr über den Zusammenbruch der Schwarzen diskutieren wird, als über das ohnehin erwartete Erstarken der Blauen. Die ÖVP sei durch einige Gewitterfronten geflogen, gab Spitzenkandidat Manfred Juraczka am Donnerstag bei seinem Wahlkampfabschluss zu.

Mit Ursula Stenzel steht der einzige bekannte Wiener ÖVP-Name auf der FPÖ-Liste. Das Zugpferd – Außenminister Sebastian Kurz – vermied es, an der Landespartei anzustreifen, beeinflusste aber die Kandidaten-Liste. Er hat sie stark verjüngt, die Wiener ÖVP ist kein geriatrischer Verein mehr. Aber die Alten kennt man noch immer, die Jungen nicht. Den scharfen Oppositionskurs überließ Juraczka lieber den Neos, um die Aussicht auf eine rot-schwarze Koalition nicht zu zerstören. Die ÖVP-Themen – Schikanen gegen Autofahrer, Ringsperren, Erhalt der Gymnasien – waren nicht so schlecht gewählt. Doch dann überlagerte das Flüchtlingsthema alles und verstärkte das (auch inszenierte) Duell Rot gegen Blau. Die ÖVP zeigte keine klare Linie. Abgesehen davon ist der bürgerliche Mittelstand sauer auf die eigenen Vertreter, es reicht vielen: frustrierte Wirte, Friseure, dauernd kritisierte Lehrer – sie alle sind Multiplikatoren.

In der nächsten Legislaturperiode wird es voraussichtlich keine ernsthafte bürgerliche Kraft mehr in Wien geben. Das ist problematisch für eine Stadt, die nicht nur aus Gemeindebauten und Zuwandererquartieren besteht. An ihrer Marginalisierung sind Wiens Bürger auch selbst mitschuld: Sie sind zersplittert zwischen rechtem Protest und grünem Lebensgefühl, politikverdrossen, aber zu bequem, sich selbst zu engagieren. Vielleicht kann erst aus einer Fusion von Schwarz und Pink wieder Neues entstehen.

martina.salomon@kurier.at

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