Die Republik muss sich neu organisieren
Die Republik muss sich neu organisieren
Das erste KURIER-Gespräch vor Publikum am vergangenen Dienstag, mit Bundeskanzler Werner Faymann als Gast, war eine interessante Erfahrung. Die Fragen der Leserinnen und Leser bewiesen nicht nur hohe Sachkenntnis, sondern auch die Erwartung, dass die Politik – konkret der Bundeskanzler – auf jede große Herausforderung eine Antwort finden muss. Jugendarbeitslosigkeit, Pensionssicherung, Hypo-Pleite, Förderungen, EU-Plastikverordnung, Menschenrechte – um nur einige Themen zu nennen.
Sicherlich, dafür ist Politik da: Die Grundlagen des Zusammenlebens müssen organisiert und finanziert werden. Aber wie? Nach dem 2. Weltkrieg war klar, dass alles auf nationalstaatlicher Ebene passiert, darüber hinaus wurden internationale Abkommen geschlossen. Dann veränderte die Europäische Gemeinschaft das Zusammenleben der Mitglieder grundsätzlich. Plötzlich durfte, und zwar in zunehmendem Maß, eine sogenannte supranationale Organisation zentral Entscheidungen treffen, die in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden mussten. Als Österreich im Jahr 1995 der Europäischen Union beitrat, wusste jeder, dass wir durch diesen Schritt Hoheitsrechte abgeben. Und dass dieser Prozess weitergehen würde.
Nun hat sich die EU leider nicht so weiterentwickelt, wie es von einer demokratischen Organisation zu erwarten ist. Die Abgeordneten, die wir demnächst wieder wählen, haben weit weniger Rechte als die nationalen Parlamente. Die Regierungschefs sind zwar ihren Parlamenten verantwortlich, treffen aber Entscheidungen, für die sie sich im EU-Parlament nicht verantworten müssen. Und die Kommission agiert zwar oft europäisch-vereinheitlichend, aber auch ziemlich abgehoben. Eine hohe Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl wäre auch ein Ruf nach mehr Demokratie.
Gesunder Wettbewerb
Aber wir in Österreich müssen unseren Nationalstaat endlich so organisieren, dass er der neuen EU-Realität entspricht. Unsere Verfassung stammt in den Grundzügen aus den 1920er-Jahren und regelt das Zusammenspiel von Bund und Ländern nicht ausreichend. Darüber hat sich eine Realverfassung gelegt, wo die Macht von den Landeshauptleuten ausgeht.
So gesehen ist der Vorstoß des Tiroler Landeshauptmannes Günther Platter im KURIER-Interview nur logisch: Die Länder sollen selbst Steuern einheben, anstatt per Finanzausgleich von jeder Steuererhöhung zu profitieren. Der „gesunde Wettbewerb“, von dem Platter spricht, müsste zuvor klar geregelt sein.
In jedem Fall müssen Bund und Länder ihre Kompetenzen klären und Doppelgleisigkeiten abstellen. Die Hauptsorge vieler KURIER-Leser im Gespräch mit Bundeskanzler Faymann bezog sich darauf, dass Preise und Steuern steigen, Löhne und Pensionen aber nicht. Ein Staat, der in seiner Gliederung klarer wäre, könnte sinnvoll sparen und würde die Bürger weniger belasten.
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