Die Politik braucht mehr Langweiler

Politik mit Emotion? Bitte nicht. Der Vorarlberger Landeshauptmann zeigt, dass es auch sachlich geht.
Martina Salomon

Martina Salomon

Man darf annehmen, dass die Vorarlberger eher einen trocken-sachlichen Politiker wählen

von Dr. Martina Salomon

über Hirn vs. Herz

Zugegeben, man war versucht, den Fernseher am (endlich sommerlichen) Sonntag schnell wieder abzudrehen: In der ORF-Pressestunde war gerade der nicht mehr ganz neue Vorarlberger Landeshauptmann am Wort. Auf den ersten Blick ein farbloser, junger Technokrat aus dem Westen. Aber so, wie Markus Wallner sprach, blieb man plötzlich hängen. Inhaltlich kam da nämlich ziemlich viel Richtiges. Dass das Hochwasser so gut bewältigt wurde, lag auch am Föderalismus, glaubt er – und plädiert für landes-autonome Regelungen, auch bei Fragen wie dem Jugendschutz, bei dem es ja den Ruf nach Vereinheitlichung gibt. Denn im Grunde ist den Vorarlbergern eine Schweizer Regelung näher als eine burgenländische. Stimmt. Die (in Wien ansässigen) Medien haben meist eine arrogant-zentralistische Sicht auf das Land, und Skandale wie in Salzburg und Kärnten geben ihnen scheinbar recht. Aber im Grunde könnte vor Ort – natürlich auch im umstrittenen Schulwesen – vieles besser geregelt werden. Der Bund müsste nur seiner Aufsichtspflicht nachkommen, in Kärnten und Salzburg hat er da kläglich versagt.

Befragt, welcher politische Typ er sei, beschrieb sich Wallner so: authentisch, nah bei den Leuten, mit hohem persönlichen Einsatz und dem Bestreben, im Wettbewerb mit den europäischen Regionen die Nase vorn zu haben. Klingt gut. Nun darf man annehmen, dass die Vorarlberger eher einen trocken-sachlichen Politiker wählen als die Ostösterreicher, vielleicht würde er in Wien total durchfallen. Aber gäbe es mehr professionelle „Langweiler“, die Politik mit Hirn und nicht nach Gefühl betreiben, müsste man sich wegen der grassierenden Politikverdrossenheit weit weniger Sorgen machen.

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