Auch 2018 bleibt EU in ihrem Jammertal

China und Indien fahren der Union ökonomisch um die Ohren, während EU-Zentrifugalkräfte stärker werden.
Walter Friedl

Walter Friedl

Denn wer Visionen hat wie Macron, braucht keinen Arzt, aber Partner.

von Mag. Walter Friedl

über die Krise der EU

Indien wird schon kommendes Jahr beim Bruttoinlandsprodukt Großbritannien und Frankreich überholen und weltweit auf Platz fünf vorstoßen; China wird in eineinhalb Jahrzehnten den USA den Rang als Nummer eins ablaufen. Und wie reagiert Europa darauf? Mit kleinlichen Schrebergärten-Nationalismen. Es ist aber absurd, zu glauben, dass etwa Tschechien oder Österreich den asiatischen Tigern oder der amerikanischen Supermacht alleine ökonomisch die Stirn bieten könne. Nur eine einige und solidarische EU hat in diesem globalen Wettlauf eine Chance.

Doch davon ist man weit entfernt. Die auch politische Lokomotive Deutschland fährt mangels handlungsfähiger Regierung auf Reserve. Einige Oststaaten, allen voran Ungarn und Polen, behandeln die Union wie einen räudigen Hund. Und Brüssel selbst kommt aus seiner leidigen Nabelschau auch nicht heraus – abgesehen davon, dass die Brexit-Verhandlungen viel Energie binden.

Mit den EU-Vorsitzländern Bulgarien und Österreich 2018 wird sich an der Misere nichts ändern. Ersteres hat sich zwar dem Motto "Einigkeit macht stark" verschrieben, gilt aber als eines der korruptesten EU-Mitglieder. Und alle Signale, die der neue Kanzler Sebastian Kurz bisher gesetzt hat, deuten auf mehr EU-Desintegration hin statt auf Integration, mehr auf Kleingeist (schielt man da auf die vielen EU-Skeptiker?) als auf die große Vision.

Das ist schade, denn der einzige Europäer, der diese momentan zu haben scheint, ist Emmanuel Macron. Gerade Kurz, der dem französischen Präsidenten in dessen erfrischender Art, Politik zu machen, streckenweise so ähnelt, sollte diese ausgestreckte Hand ergreifen. Denn wer Visionen hat, wie Macron, braucht keinen Arzt, aber Partner.

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