Alltag in der Risikozone: Die Neuerfindung des Telefons
Zwei Wochen in den eigenen vier Wänden waren notwendig, um auf die größte Errungenschaft drauf zu kommen, die so ein Smartphone besitzt: Man kann damit auch telefonieren.
Falls das jemand noch nicht gewusst haben sollte: Das geht ganz einfach, man braucht dafür nicht einmal eine App. Offensichtlich war diese Funktion beim Smartphone schon vorinstalliert, auch wenn viele von uns zusehends immer weniger Gebrauch davon machen.
Wir senden uns Bilder, wir übermitteln Nachrichten, wir schicken Emojis, GIFs und müllen uns gegenseitig mit sonstigem Kleinkram zu, der uns in den Weiten des Internets ins Netz gegangen ist.
Dieses neumoderne Kommunikations-Zeug mag ja im alltäglichen Gebrauch durchaus praktisch sein, krisentauglich ist es freilich nicht. So nett der Smiley mit dem Mundschutz auch aussieht, es gibt kein Emoji, das die aktuelle Gefühlslage wirklich zum Ausdruck bringen könnte.
Deshalb erlebt jetzt zumindest bei uns daheim das gute alte Telefonat seine Renaissance. Wenn man seine Liebsten schon nicht sehen kann, dann will man sie zumindest hören. Und das möglichst oft und möglichst lange.
Anrufe, die einen noch vor Kurzem genervt die Augen verdrehen haben lassen („Was will der schon wieder?“), lösen plötzlich ganz andere Reaktionen aus. „So schön, dass der sich wieder meldet.“
Manche Telefonate mit Freunden und Angehörigen dauern dermaßen lange, dass unweigerlich Erinnerungen an das Vor-Handy-Zeitalter wach werden, als es noch die berühmten Viertelanschlüsse gab und man es ausnützen musste, wenn die Nachbarin in der Wohnung drüber gerade einmal nicht für Stunden das Telefon blockierte.
Sogar die siebenjährige Tochter hat das Telefon inzwischen zu schätzen gelernt. Bisher hatte sie nach einer halben Minute meist die Lust am Telefonieren verloren, jetzt hängt sie plötzlich stundenlang an der Strippe und unterhält sich mit ihren Freundinnen.
Es ist wohltuend, eine vertraute Stimme zu vernehmen. Diese tiefgehenden Gespräche, die wir bis vor wenigen Wochen nicht führen wollten, weil wir keine Zeit und keine Lust dafür hatten, geben in diesen turbulenten Tagen ein Gefühl der Geborgenheit.
Dass die nächste Telefonrechnung dann vielleicht ein bisschen höher ausfällt, sollte unsere geringste Sorge sein.
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