Die Ahnfrau der Bankenkrise

Konrad Kramar

Konrad Kramar

Sie prügelte ihr Land und dessen verschlampte Wirtschaft in die Entindustrialisierung.

von Mag. Konrad Kramar

über Margaret Thatcher

Es mag ja über 30 Jahre her sein, aber die politischen und vor allem wirtschaftspolitischen Entscheidungen Margaret Thatchers haben Europas Entwicklung so nachhaltig geprägt, dass sich von ihrer Amtszeit bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 eine rote Linie ziehen lässt - eine erschreckend gerade rote Linie. Thatcher verfolgte vom Zeitpunkt ihrer Machtübernahme 1979 drei Hauptziele: Kompromissloser Monetarismus, also die Bekämpfung der Inflation um jeden Preis, die Verdrängung des Staates aus der Politik und die Liberalisierung des Finanzmarktes. Sie war die europäische Achse der Reagonomics, also der Wirtschaftspolitik ihres Du-Freundes Ronald Reagan, der exakt die gleichen Ziele verfolgte. An Großbritannien lassen sich daher exemplarisch die Stärken und die fatalen Schwächen ihrer Politik ablesen. Jener Politik, die nach der Wende in Osteuropa 1989 auch die gesamte europäische Entwicklung bestimmen sollte. Die Inflationsbekämpfung als Dogma ist Europa seither nicht mehr losgeworden, die globale Raserei des Geldes ebenfalls nicht. Sie prügelte ihr Land und dessen verschlampte Wirtschaft in die Entindustrialisierung. Dass die Industrie durch eine völlig ideenlose Labour-Regierung und Gewerkschaften, die sich mehr als politisches Machtzentrum denn als Vertreter von Arbeiterinteressen sahen, heruntergewirtschaftet waren, gab ihr anfangs Rückendeckung in der Bevölkerung. Dass heute annähernd 20 Prozent des britischen BIP vom Finanzzentrum London erwirtschaftet werden, dass also das ganze Land am Tropf der City und ihrer Bankriesen hängt, ist letztlich die Konsequenz daraus. Die Politik, die sie ins Rollen brachte, ließen London zur Welthauptstadt des Geldes und die daran beteiligten Banken so groß werden, dass sie irgendwann dem Staat über den Kopf wuchsen. Dass diese Institute früher oder später die Spieregeln für die Weltwirtschaft mitschreiben würden, war somit unvermeidlich. Zuletzt, als die Blasen, die man - oft wider besseres Wissen - aufgepumpt hatte, platzten, schaffte man es sogar, die Staaten für das eigene Versagen aufkommen zu lassen. Der beispiellose Aufschwung, den Großbritannien unter Thatchers Nachfolger Tony Blair erlebte, ist ihr anzurechnen, dass dieser Aufschwung nicht nachhaltig war, allerdings ebenfalls. Die soziale Kluft, die in ihren Amtsjahren aufriss schloss sich auch in 13 Jahren Labour-Regierung nicht mehr. Thatchers Traum von der postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft in einer grenzenlos globalisierten Finanzwirtschaft, ist für viele Briten in den einstigen Industrieregionen zum Albtraum geworden - und geblieben. Heute ist es chinesisches Geld, das den kaputtgewirtschafteten britischen Autokonzern MG wieder auf die Beine bringen soll, die seltsamen Nachwehen ihrer Wirtschaftspolitik, 30 Jahre danach.

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