Letzter Weckruf für Traditionsparteien
Das war ein herber Rückschlag für die sonst so erfolgsverwöhnte Chefin des rechtsnationalistischen Front National (FN): Marine Le Pen und ihren Mitstreitern gelang es bei den französischen Regionalwahlen wieder nicht, in direkten Duellen zu reüssieren. Und damit trüben sich auch ihre Hoffnungen ein, nach der französischen Präsidentenwahl 2017 in den Elysee-Palast einzuziehen – wenn sich bis dahin nicht noch Gravierendes ändert.
Dennoch: Der FN hat sich als mindestens gleich starke Macht neben den Sozialisten und Konservativen etabliert, in der ersten Runde der Regionalwahlen landete er auf Platz eins. In Polit-Systemen, in denen der Schwerpunkt auf dem Parlament liegt, würde Marine Le Pen mit der Regierungsbildung beauftragt werden.
Auch in anderen europäischen Staaten stehen rechtspopulistische und -nationale Parteien ganz hoch im Kurs. Warum? Weil deren Marktschreier ihre Parolen vor dem Hintergrund zweier dominanter Gefühlslagen trommeln – einer wirtschaftlichen und kulturellen Unsicherheit, konkretisiert in hoher Arbeitslosigkeit und der steigenden Zahl von muslimischen Flüchtlingen. Gemixt mit der erhöhten Terrorangst in weiten Teilen der Bevölkerungen ergibt das einen brandgefährlichen Cocktail. Selbst Menschen, denen dieser Giftkelch im Grunde nicht mundet, wählen mitunter bereits die Rechtsaußen-Truppen – weil sie entweder die EU-Bürokratie in Brüssel satthaben oder das Herumlavieren der Regierungen in den jeweiligen Nationalstaaten oder beides zusammen.
Die Politik muss wieder klare Worte finden, klare Ziele definieren und den Bürgern einen Plan vorlegen, wie diese zu erreichen sind – das sind sie ihnen nicht nur schuldig, das ist auch ihre einzig mögliche Gegenstrategie, den Kampf gegen die Rechte nicht gänzlich zu verlieren. Gerade in einer unübersichtlich gewordenen Welt sehnen sich die Menschen nach Sicherheit. Auf das Feld der Politik übertragen heißt das neudeutsch: "Leadership" ist gefragt.
Kommentare