Erdogans unnötige Promille-Politik

Der türkische Premier verschärft die Alkohol-Gesetze und riskiert damit, ins islamistische Eck gestellt zu werden.
Walter Friedl

Walter Friedl

Die neuen Alkoholgesetze sind mehr als entbehrlich – zumal die Türkei kein Land der Säufer ist.

von Mag. Walter Friedl

über Erdogans Promille-Politik

Die Gegner der islamischen AK-Regierungspartei mit ihrem Chef, Premier Tayyip Erdogan, wollten es immer schon gewusst haben: Die Gruppierung verfolge eine „hidden agenda“ (versteckte Strategie), deren Ziel die Islamisierung der Türkei sei.

Das ist Nonsens. Die AKP ist eine konservativ ausgerichtete Partei mit einer religiösen Basis und einer stark wirtschaftsliberalen Komponente. Sie will die Gesellschaft in diesem Sinne umgestalten, ein System wie im Iran oder Saudi-Arabien strebt sie aber nicht an. Das wäre realpolitisch gar nicht möglich: Junge Frauen werden sich ihre Miniröcke und High Heels nie mehr nehmen lassen, Burschen nicht ihr Efes-Bier und den Raki.

Insofern sind die neuen restriktiven Alkoholgesetze mehr als entbehrlich – zumal die Türkei kein Land der Säufer ist (in Österreich ist der Alkoholkonsum pro Kopf acht Mal höher). In Wahrheit zielen diese Signale – auch die stets wiederkehrende Kopftuch-Debatte – darauf ab, die AKP-Basis bei der Stange zu halten.

Das ist innenpolitisch nachvollziehbar, doch Erdogan begibt sich dabei auf dünnes Eis. Einerseits könnte er die tatsächlich radikalen Geister, die er ruft, schwer wieder loswerden. Andererseits droht er selbst, im islamistischen Eck zu landen. Dort wäre sein politischer Handlungsraum, vor allem auf dem internationalen Parkett, aber äußerst begrenzt.

Die absolut regierende AKP hat die Türkei seit 2002 ökonomisch in lichte Höhen geführt, und der Premier ist auf dem Weg zu einem „global player“. Er wäre gut beraten, das bisher Erreichte nicht mit einer billigen Promille-Politik aufs Spiel zu setzen.

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